Blut klebt am Karlspreis
zweiten Frühstück auf mich. Auch seine beiden Assistenten saßen im Besucherbereich seines Büros und rührten in den Kaffeetassen.
„Wir werden heute Fahndungsaufrufe an die Medien verteilen und Flugblätter mit den Konterfeis von Müller und Jerusalem unters Volk streuen“, schilderte mir Böhnke sein weiteres Vorgehen. „Wenn die beiden nichts auf dem Kerbholz haben, werden sie sich hoffentlich bei uns melden; wenn sie sich verstecken, spricht das für die Vermutung, dass sie in kriminelle Machenschaften verwickelt sind.“ Der Kommissar sah seine Assistenten an. „Sie wissen, was Sie zu tun haben?“
Das Duo nickte bestätigend. Ich sah Böhnke fragend an, der mich unverzüglich aufklärte. „Die beiden Kollegen fahren gleich nach Bardenberg und vernehmen die Nachbarschaft der Loogens. Man kann nie wissen, aber vielleicht hat jemand den Jungen bei seinem Gespräch mit den Unbekannten beobachtet.“
Wenig später verschwanden die beiden Beamten und Böhnke griff zum Telefon. „Der Polizeipräsident will uns sprechen.“ Er schmunzelte. „Mein Chef hält große Stücke von Ihnen, Herr Grundler.“
Auch wenn ich in meiner Bescheidenheit das Kompliment verlegen abwehrte, so fühlte ich mich doch geschmeichelt. Der Polizistenchef hatte mich nicht vergessen, wofür ich mich selbst auf die Schulter klopfte.
Der grau melierte Senior begrüßte mich ausgesprochen herzlich in seinem gemütlichen Büro, das gar nicht zu der nüchternen Betonfassade der Polizeizentrale passte. Seine Frage nach meinem gesundheitlichen Wohlbefinden beantwortete ich mit einem wahrheitsgemäßen „Bescheiden“ mit dem Hinweis auf die Krücken, die ich neben mich an den Sessel lehnte. „Dann geht es Ihnen ja besser als uns“, erwiderte er bekümmert, „uns geht es, gelinde gesagt, beschissen. Wir werden von allen Seiten mit Fragen über Fragen zugeschüttet. Politiker lassen anfragen, ob ihre Sicherheit in Aachen auch wirklich gewährleistet ist, die Medien wollen wissen, wie ernst die Attentatsdrohung zu nehmen ist und jetzt ist schon die Diskussion entfacht, ob es nicht besser sei, die Verleihung abzusagen und auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen.“ Der Polizeipräsident griff in eine Mappe und zog eine Zeitung sowie mehrere Briefe heraus. „Hier, lesen Sie!“, forderte er mich auf.
Neugierig schlug ich die Zeitung auf. Es handelte sich um ein Produkt der rechtsradikalen Presse, in der auf die Attentatsdrohung hingewiesen wurde.
Der Staat müsse Stärke zeigen und dürfe sich nicht von einigen terroristischen Chaoten erpressen lassen, wurde wortgewaltig gefordert. Die Argumentation, die folgte, erinnerte mich an Böhnkes Analyse. Eine Absage der Verleihungszeremonie sei eine Kapitulation des Staates vor staatsfeindlichen Kräften.
Zugleich gab es zwischen den Zeilen Kritik am diesjährigen Karlspreisträger, der als verkappter Kommunist bezeichnet wurde und den es mit allen legitimen politischen Mitteln zu bekämpfen gelte. Insofern, so der Schluss, habe es sich der Staat durch die Nominierung des linken Politikers selbst zuzuschreiben, dass es keine friedliche Karlspreisfeier geben könne.
Über diesen Unsinn konnte ich nur den Kopf schütteln. Was hatte der Staat mit der politischen Auszeichnung zu tun, die vom Karlspreiskomitee verliehen wurde? Da wurden Fakten so lange verfälscht und zusammengefügt, bis sie in das rechte Bild passten. „Wer liest schon so einen Blödsinn?“, schimpfte ich. „Vertun Sie sich nicht“, hielt Böhnke dagegen, „dieses stupide Blatt hat eine höhere Auflage als manche Tageszeitung in Deutschland.“
Die Briefe enthielten Reaktionen auf den Bericht in den Aachener Zeitungen.
„Sie sind uns zugeschickt worden. Sie spiegeln das Meinungsbild wider, das sich auch in den Leserbriefen in den Zeitungen findet“, klärte mich der Polizeipräsident auf.
Die Tendenz in den Schreiben war eindeutig. Die große Mehrheit der Bürger wollte nicht an eine tatsächliche Gefahr glauben und vertraute auf die Polizei, die für die Sicherheit bei dem großen Aachener Fest sorgen würde.
„Also ziehen Sie die Sache durch?“ Fragend sah ich den Polizeipräsidenten an.
„Selbstverständlich. Wir können gar nicht anders. Die Politiker degradieren mich auf der Stelle zum Polizeimeister, wenn ich erklären würde, die Aachener Polizei sehe sich nicht zu einem reibungslosen Ablauf der Veranstaltung im Stande.“ Er nickte Böhnke zu, der sich zu Wort gemeldet
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