Blut klebt am Karlspreis
Eigentlich hätte ich die Antwort selbst geben können.
„Wahrscheinlich hat Jerusalem dieses Pamphlet geschrieben. Auf jeden Fall hat er es aber in Ihrer Kanzlei ausdrucken lassen.“ So dreist, wie der scheinheilige Kerl war, hatte er bestimmt daran gearbeitet, als ich nebenan in meinem Büro saß, ärgerte ich mich.
„Auf dem Weg nach Hause hat er es bei der AZ abgeliefert, klinisch rein, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen“, schilderte Böhnke. „Aber die kleinen technischen Fehler beim Druckvorgang, die haben ihn überführt.“
„Das nützt uns allerdings nichts“, warf ich ein, „der Sausack ist doch über alle Berge.“
„Oder auch nicht“, entgegnete der Kommissar. „Das ist übrigens ein Grund, weswegen wir nach Maastricht fahren.“
„Und der zweite Grund?“
„Der zweite Grund ist fast identisch mit dem zweiten Thema, über das ich Ihnen berichten wollte.“ Böhnke musste bremsen, weil sich beim Zusammenschluss der Autobahnen vor Maastricht wie immer ein Stau gebildet hatte. Der Flugplatz lag jetzt gewissermaßen schon in Sichtnähe, aber es würde wohl noch einige Zeit dauern, ehe wir ihn tatsächlich erreichen würden. „Der zweite Grund ist nämlich Müller. Er hat Sie übrigens dreist an der Nase herumgeführt, Herr Grundler. Müller hat nicht, wie er behauptet hat, am Samstag sein Examen abgelegt, sondern schon vor einigen Wochen. Das haben wir aus dem RWTH-Computer. Der Mann muss auf seinem Gebiet ein As sein, hat in Oxford und Aachen Biologie und Chemie studiert und in beiden Fächern mit ,sehr gut’ abgeschnitten. Seine Professoren haben ihm eine ausgezeichnete wissenschaftliche Karriere prophezeit.“
„Im Knast“, knurrte ich beleidigt. „Chemie, Oxford, das passt doch. Der steckt bestimmt hinter den Anschlägen.“
„Das behaupten Sie, Herr Grundler, aber es gibt keine eindeutigen Beweise.“
„Haben Sie ihn denn wenigstens besucht?“, fragte ich, ohne eine positive Antwort erwarten zu können.
Böhnke sah mich entschuldigend an. „Wo denn? In der Uni ist er unter der Anschrift seiner Eltern in Wassenberg gemeldet. Dort hat er sich seit Monaten jedoch nicht mehr blicken lassen.“
„Aber er hat doch eine Bleibe in Kornelimünster“, bemerkte ich und ahnte, dass ich damit garantiert aufs falsche Pferd gesetzt hatte.
„Entweder haben Sie nicht richtig zugehört oder er hat Ihnen einen Bären aufgebunden“, erwiderte der Kommissar prompt. „Bei der Stadtverwaltung ist er nicht registriert. Für die Polizei und die Universität ist sein Wohnsitz Wassenberg.“
„Das heißt für uns also, Müller ist untergetaucht, ebenso wie Jerusalem?“
Böhnke nickte. „Wenn wir davon ausgehen, dass Jerusalem tatsächlich nicht in Urlaub gefahren ist und seine Mutter besucht.“ Aber das würde derzeit überprüft.
Endlich waren wir am Airport angelangt. Böhnke steuerte den Dienstwagen auf den Parkplatz vor der Polizeistation direkt unter dem Tower und wurde freudestrahlend von einem Uniformierten in Empfang genommen. Böhnke stellte ihn mir als Kommissar Bloemen vor.
Die beiden Männer schienen sich prächtig zu verstehen, nur ich bekam nicht einmal die Hälfte mit, als sie weder in Deutsch noch in Niederländisch, sondern in einer Mischung aus Öcher und limburgischen Platt miteinander sangen. „Können Sie auch Englisch?“, fragte ich schließlich mit aller Bescheidenheit, als es mir zu blöd wurde.
Was konnte ich dafür, dass ich zu dem Teil der Menschheit gehöre, der nicht in Aachen oder im gerade noch tolerierten Umfeld der einzigartigen Kaiserstadt geboren ist?
Mitleidsvoll lächelnd schalteten die beiden Gesetzeshüter auf Deutsch um. Er sei erfreut, mich endlich persönlich kennen zu lernen, meinte Bloemen höflich, sein Freund Böhnke habe ihm schon viel über mich erzählt.
„Natürlich nur das Beste“, warf Böhnke schnell ein, als ich ihn argwöhnisch ansah.
Bloemen führte uns in sein Büro, wo er schon Kaffee und Riemchentorte aufgetragen hatte. An einem Tisch saß vor einem Computer ein junger Polizist mit einem unaussprechlichen Namen, den ich sofort nach der Vorstellung wieder vergaß. „Sie wollen also wissen, ob ein Müller aus Wassenberg am nächsten Donnerstag von Maastricht abfliegen wird?“
„Genauso ist es“, bestätigte ich; es sei denn, der Mann ist längst schon über alle Berge abgehauen, fügte ich für mich hinzu. Interessiert beobachtete ich den Computerspezialisten, der flink mit den Fingern über die
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