Blut klebt am Karlspreis
schimpfte ich. „Das liegt doch alles klar auf der Hand, die wollen den Kanzler meucheln.“
„Ich kann es mir nicht vorstellen“, stöhnte Böhnke. „Aber ich.“ Eine bessere Propaganda konnten die Rechten gar nicht bekommen. „In Deutschland wird der Kanzler auf der Straße von Unbekannten niedergestreckt. Armes Vaterland. Da hat unsere Demokratie restlos versagt, da müssen Zucht und Ordnung her in einem totalitären Polizeistaat, um derartige Greueltaten zu verhindern.“ Böhnke blieb unschlüssig.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, sagte ich schnell nach einer Denkpause. „Lassen Sie eine Eskorte in Richtung Bonn losfahren, aber ohne Kanzler. Den können Sie am Abend hinterherschicken, wenn die Hubschrauber aus Köln zurück sind. Wenn nichts passiert, bezahle ich gerne die Rechnung für die Mehrkosten unserer Behörden.“
„Wenn nichts passiert, kann ich mir einen neuen Job suchen, Herr Grundler.“ Böhnke sprang auf. „Ich muss etwas erledigen. Und Sie bleiben hier sitzen, bis ich wieder komme!“
Eine halbe Stunde später setzte sich die Limousine des Kanzlers in Bewegung, wie ich am Fenster beobachten konnte. Begleitet wurde sie von mehreren Fahrzeugen und einer Motorradstaffel. Ich war erstaunt, wie viele zivile Fahrzeuge sich der Kolonne anschlossen, die über die Monheimsallee in Richtung Europaplatz fuhr.
Missmutig schüttelte ich den Kopf und hockte mich in den Sessel.
Wenige Minuten später hallten die Martinshörner aller Polizeiwagen in der Luft, fuhren Rettungswagen und Feuerwehrfahrzeuge lärmend und mit Blaulicht an mir vorbei. „Sie haben, verdammt noch mal, Recht gehabt, Sie verfluchter Mistkerl!“, brüllte mich Böhnke an, der schockiert in das Zimmer gestürmt war. „Am Europaplatz ist es geschehen. Die Fahrzeug-Kolonne ist von allen Seiten aus den Nebenstraßen heraus beschossen worden, als sie in den Kreisverkehr eingebogen ist. Alle Ausfahrten waren plötzlich von quer stehenden Autos blockiert, die Kolonne saß fest. Dann begann auch schon das Gewehrfeuer und der Granatenbeschuss. Der Wagen des Kanzlers wurde völlig zerstört.“
„Und?“, fragte ich atemlos.
„Der Kanzler lebt. Er sitzt nebenan. Aber es hat etliche Tote gegeben. So viel, wie ich bisher weiß, sind auch Jerusalem und Frenzen darunter.“ Böhnke drängte zur Eile. „Kommen Sie, wir müssen los!“
„Wohin?“ Mein Schnelldenken hatte ausgesetzt. „Nach Maastricht, Sie Penner“, raunzte er mich an. „Hier können wir ohnehin nichts tun. Über Funk werden wir auf dem Laufenden gehalten. Los! Schalten Sie Ihre Krücken auf den Turbogang.“
Mit rasender Geschwindigkeit schoss Böhnke zum Maastricht-Aachen-Airport. „Hoffentlich haben sie Müller geschnappt“, sagte er vor sich hin, „der hat uns einiges zu erklären.“
„Wem? Ihnen oder mir?“ Ich schlug Böhnke vor, zuerst mit Müller zu reden. „Dann können Sie in der Hinterhand nachlegen.“
Böhnke stimmte zu. Den tatsächlichen Grund meines Vorschlags nannten weder er noch ich: Ich brauchte mich nicht an die Vernehmungsvorschriften zu halten. „Jetzt fehlt nur noch Müller“, sagte ich grimmig.
Gebannt hörten wir uns die immer wieder neuen Informationen im Funkgerät an. Der Sachverhalt war schnell deutlich geworden. Vor der Kolonne hatten sich etliche, unverdächtig scheinende Fahrzeuge befunden, die auf den Europaplatz einbogen, aber dann an allen Ausfahrten des Kreisverkehrs stehen blieben. Vermummte Gestalten waren herausgesprungen und hatten sich hinter den Wagen verschanzt. Ehe die Polizei reagieren konnte, eröffneten sie schon das Feuer. Gleichzeitig waren aus den Zufahrtsstraßen weitere Autos herangefahren, aus den heraus ebenfalls mit leichten und schweren Waffen geschossen wurde. Die Kolonne des Kanzlers war ohne Fluchtmöglichkeit eingekreist. Erst mit Unterstützung weiterer Einsatzkräfte und aus der Luft war die Kolonne befreit worden. Viele der Angreifer waren zu Fuß oder mit Fahrzeugen flüchtig, viele waren verletzt oder getötet worden. Aber auch viele Mitglieder des BGS und der Polizei mussten sterben.
„Warum war der Kanzler nicht dabei?“
Böhnke hatte auf meine Frage gewartet. „Ich habe ihm erklärt, ein Spinner habe ein Attentat auf ihn vorhergesagt, und es sei besser für ihn, wenn er bis zum Abend in Aachen bliebe.“ Er lächelte. „Nein, so war es natürlich nicht. Ich habe ihm gesagt, dass dank Ihrer Hilfe das erste Attentat verhindert worden wäre und ich, ebenso
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