Blut Licht
ausmachen. Thuraya. Der Name war mir durchaus geläufig. Eilig klickte ich mich durch das Menü und freute mich diebisch, als ich die Symbolik für die Spracheinstellung fand. Das Eingeben einer neuen, vierstelligen PIN war reine Formalität. Dann schaltete ich das Gerät aus und ließ es unter mein T-Shirt gleiten.
Gerade rechtzeitig, denn am Haus entstand Bewegung. Zunächst vernahm ich erneute Wortfetzen. Sie klangen keineswegs freundlich. Plötzlich stürzte eine jüngere Frau in zerfetzter Kleidung aus der Tür, hinter der kurz ein Fuß aufblitzte. Sie fiel auf die Knie, blickte zurück und kroch mit angstverzerrter Miene davon. Da erschien der zum Fuß gehörende Mann, hatte mit wenigen Schritten die Frau erreicht und packte ihr ins Haar. Sie schrie schmerzvoll auf, als er sie in die Höhe riss, anbrüllte und in meine Richtung drängte.
Zu gern hätte ich dem Kerl gezeigt, wo der Hammer hing, doch meine eigene Sicherheit ging vor. Außerdem waren weder Darian noch mein Bruder hier, um mich aus heiklen Situationen zu befreien, sollte ich mich blindlings in eine solche begeben. Ich musste daher hilflos mit ansehen, wie der Mann das Mädchen vor sich herstieß, sie dabei mit den Füßen traktierte und anfeindete. Dennoch konnte ich kaum verhindern, dass mir allmählich die Galle hochkam.
Ich glaubte zu wissen, was er von ihr wollte. Als ich das Wort „Telefon“ aufschnappte, erhielt ich Gewissheit. Sie sollte das Gerät suchen, das der Idiot zuvor in blanker Wut durch die Gegend geworfen hatte. Dumm gelaufen, nun war es weg. Allerdings erwies sich meine Dieberei für das Mädchen als ungünstig, denn sie musste darunter leiden.
Nie zuvor war mir in den Sinn gekommen, einem Menschen den Garaus machen zu wollen. Doch während ich zusah, wie der Mann der jungen Frau in die Rippen trat und sie schmerzgepeinigt aufschrie, weil sie nicht fand, wonach er suchte, spürte ich genau diesen Wunsch in mir aufsteigen. Das war Premiere.
Einen Vampir zu vernichten war etwas vollkommen anderes als einen Menschen zu töten, egal, wie bösartig dieser auch war. Allein aus der Notwehr heraus konnte ich mir ein solches Handeln vorstellen, bei allem anderen versagte meine Fantasie.
Darian hätte sicherlich keinerlei Hemmungen, den Mann zu zerlegen, ebenso wie mein Bruder oder sogar Jason. Steven stand in dieser Überlegung ganz weit außen vor. Sie belasteten sich nicht mit solcherlei Moralvorstellungen. Oft genug war ich Zeuge ihrer konsequenten Handgreiflichkeiten geworden. Ich aber hatte keinerlei Ahnung, wie ich das bewerkstelligen sollte. Insbesondere, weil ich weder eine Waffe noch sonst etwas in der Art bei mir trug und mir obendrein die Fähigkeit nebst der nötigen Kraft fehlte, freihändig auf den Mann loszugehen. Ich hatte auch noch nie davon gehört, dass ein Mann durch den Wurf mit einem Telefon getötet worden war. Von daher schied das aus. Folglich verharrte ich mit zornig geballten Händen hinter dem Stamm, wagte keine Regung und hoffte darauf, dass er bald aufgab.
Den Gefallen tat er mir nicht. Stattdessen kamen er und das Mädchen näher. Ich hörte sie keuchen und mit brüchiger Stimme mehrere Worte in seiner Sprache sprechen. Er schrie erneut auf sie ein.
Ich kniff die Augen zu und hoffte darauf, gleich im Bett zu erwachen. Nichts dergleichen geschah. Ich hing hier fest. Mist!
Eilig sah ich mich um. Ein unbemerktes Entkommen schien unmöglich. Sie würden mich sehen, sobald ich meine Deckung verließ. Außerdem trug der Mann eine Schusswaffe bei sich, die jede Form der Flucht aussichtslos machte. Allmählich gingen mir die Alternativen aus.
Doch nein, eine blieb übrig. Ich zog das Telefon hervor. Mit zitternden Fingern öffnete ich das Gehäuse, nahm die Chipkarte heraus und legte die Gehäuseteile lose aufeinander. Dann linste ich um den Stamm herum, beobachtete die Beiden und schleuderte das Telefon in einem günstigen Moment weit von mir. Wie erwartet, flogen die Teile auseinander und landeten hinter einem Strauch.
Der Mann hatte das Geräusch vernommen, blickte auf und suchte die Umgebung ab. Mit ängstlich klopfendem Herzen drückte ich mich fest an den Baum und betete darum, nicht entdeckt zu werden. Der Herzschlag setzte kurzzeitig aus, als der Mann nur wenige Zentimeter von mir die Palme passierte. Dann verschlug es mir den Atem, denn die Male an seinem unbedeckten Hals waren eindeutig. Ein Anwärter. Für Sekunden geriet meine Moral ins Schwanken. Ich müsste nur die Hand ausstrecken, die
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