Blut Licht
mich vorher informiert hätte. Oder wenn ich viele Fragen vorher gestellt hätte. Beklommen nagte ich an meiner Unterlippe.
„Vergiss es, Schatz.“ Sein Lächeln, sowie sein Kuss wischten meine Selbstzweifel beiseite. „Selbst wenn ich dich eingeweiht hätte, wäre es geschehen. Ich vermute, Thalion hat schon länger auf eine Gelegenheit gewartet, an das Buch zu gelangen. Heute ist es ihm gelungen. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass er dabei dermaßen weit gehen würde.“
„Du meinst...“ Ich verharrte und sah ihn schockiert an. Jäh flammte ein kompletter Kronleuchter in mir auf. „Oh mein Gott! Diese Wraiths letzte Nacht... Da war dieser Kampf... Das könnte er gewesen sein?“
„Die Möglichkeit besteht durchaus. Wahrscheinlich war das sein erster Versuch, an das Buch zu gelangen. Mir ist nicht bekannt, dass Thalion jemals zuvor solche Wesen beschworen hat, wodurch ich eher vermute, dass er Hilfe bekam. Allerdings ist er sehr alt. Er existierte bereits vor den Clanskriegen und ich habe keinerlei Kenntnis davon, was er tatsächlich an Fähigkeiten in sich trägt. Ich befürchte, er wird für uns noch so manch unschöne Überraschung bereithalten.“
Als wenn diese eine nicht schon genug war. Ich schnaufte erbost. Und diesem Kerl hatte ich so etwas wie Zuneigung entgegen gebracht. Ich mochte mir am liebsten selbst in den Hintern treten. Gleichzeitig war es irrwitzig, denn er hatte mir während meines Unterrichts unaufhörlich sein Credo vor Augen gehalten: „Traue niemandem, selbst mir nicht.“ Super Sache, wirklich. Mann, war ich blöd!
Wir hatten unsere Räume erreicht und ich öffnete die Tür. Darian ging an mir vorbei und setzte Lilianna auf das Bett, was sie gleich zum Anlass nahm, sich unter unserer Decke zu verstecken. Während ich sie spielerisch zu erhaschen versuchte, zerrte Darian sich die ruinierte Hose vom Leib.
„Was genau steht eigentlich in diesem verdammten Buch, dass beinahe jeder hinter ihm her ist?“, fragte ich wie nebenbei und erwischte meine Tochter an den Füßen. Während ich sie kitzelte, zog ich sie unter der Decke hervor. Ihr begeistertes Glucksen entlockte Darian ein leises Lachen.
Er kam zu uns, pikste ihr neckend in die Seiten, woraufhin sie noch lauter gluckste. Schließlich nahm er sie hoch und drückte sie an sich. Dabei sah er mich über ihren Kopf hinweg ernst an. „Es ist für einen Vampir das Buch aller Bücher, Faye. Als Alistair es mir damals übergab, nahm ich an, es handele sich dabei um eine Abschrift. Ich irrte, es ist das Original. Denn das, was ich in meiner Bibliothek an alten Pergamenten für originale Seiten hielt, waren überaus gut gemachte Fälschungen. Ich wäre nie darauf gekommen, wenn ich nicht den direkten Vergleich gehabt hätte. Deswegen verstehe ich, weshalb Letavian ein so großes Interesse an dem Buch hatte und warum er in New York dieses Risiko einging. Allerdings bezweifele ich, dass er damit hätte mehr anfangen können als ich. Das Meiste des Buches konnte ich übersetzen und entschlüsseln. So fand ich auch heraus, dass ein komplettes Kapitel der Vampirbibel fehlte. Der erste Teil enthält die Entstehungsgeschichte unserer Spezies, berichtet über den Ausbruch der Kriege und warum sie begannen. Diverse Weissagungen werden darin aufgeführt, von denen einige bereits eingetroffen sind und weitere noch ausstehen, oder auch niemals eintreffen werden. Ferner habe ich Seiten in einer Schriftform vorgefunden, die ich bislang nicht enträtseln konnte. Ich schätze mich glücklich, dass ich sie kopiert habe. Vor einer Woche dann rief mich dein Bruder an und teilte mir mit, dass er das letzte Kapitel gefunden hat. Er müsste es noch haben, denn er ist nicht mehr dazu gekommen, es mir auszuhändigen. Folge dessen fehlt es weiterhin im Original.“
„Ist das nun gut oder schlecht?“, grübelte ich laut und erntete ein Lockeres: „Wir werden es wissen, sobald ich es gelesen habe.“ Dann setzte er Lilianna wieder auf dem Bett ab und ging in das Bad. Kurz darauf hörte ich, wie er die Dusche anstellte.
„Was wäre, wenn Lilith diejenige ist, die letztendlich das Buch haben möchte?“, sprach ich eine weitere Überlegung aus. Darians Antwort hingegen überraschte mich wirklich: „Dann hätte sie mich um dessen Herausgabe gebeten und es von mir erhalten. Sie hat es nicht nötig, Blut dafür zu vergießen. Abgesehen davon wird sie kaum ein Interesse daran haben, es zu lesen, Faye. Sie hat es nämlich selbst verfasst.“
Die
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