Blut muss fließen
uns noch mehr hassen« (als der Staat). »Trotzdem werden uns Steine, ganze Felsblöcke in den Weg gelegt, um dieses Konzert nicht stattfinden zu lassen. Und letztendlich hat’s der Staat ja auch geschafft. Einer der Gründe war, dass ›KC‹ ja politische Lieder spielt.« Ostendorf behauptete: »Wir haben in unserem ganzen Leben noch auf keinem Konzert politische Lieder gespielt.« Und: »Auf unseren Konzerten kommt es weder zu Ausschreitungen noch zu politischen Handlungen. Das wird von unserem Ordnungsdienst und von uns selber sofort unterbunden.«
Das klang unglaublich . – das wollte ich sehen. Am 29. August 2009 fuhr ich deshalb zu meinem zweiten »Kategorie C«-Konzert und dieses Mal rechtzeitig ab. Die Band sollte bei dem Festival Stadionzeit Rock’t (sic!) auf dem Gelände des Waldhauses bei Zella spielen, das zur thüringischen Gemeinde Krölpa gehört. Die Polizei kam den Hooligans dort nicht in die Quere, ich habe sie nicht einmal gesehen. Warum auch, bei einem unpolitischen Konzert?
Als ich ankam, spielten gerade »Die JungZ«, die keine »Böhse Onkelz«-Coverband sind, auch wenn es die Schreibweise ihres Namens vermuten lässt. Ich kannte die Gruppe nicht – aber manche ihrer Lieder. So coverte sie den Song The Voice Of Britain, der von Ian Stuart Donaldsons Kultband »Skrewdriver« stammt. Darin ist unter anderem von »media Zionists« die Rede, »that like to keep us quiet«. | 235 | Ich war noch am Staunen, was eine vermeintlich unpolitische Band so alles im Repertoire hat, da stimmten die »JungZ« das Lied Kraft für Doitschland von der Rechtsrockgruppe »Störkraft« an: »Die Köpfe kahl, unsere Fäuste hart wie Stahl. Unser Herz schlägt treu für unser Vaterland. Was auch geschehen mag, wir werden niemals von dir gehen. Wir werden treu zu unserem Deutschland stehen.« Der Titel endet mit dem Aufruf: »Deutschland erwache!«
Wenn sich schon die Polizei zurückhielt, war vielleicht wenigstens der Thüringer Verfassungsschutz im Bilde? Bei der Lektüre des Jahresberichts 2009 konnte dieser Eindruck immerhin entstehen: Die Behörde vermeldete, dass es bei der Band »Die JungZ« Anhaltspunkte »für eine etwaige rechtsextremistische Ausrichtung« gebe. Sie sei daher als »Verdachtsfall« bewertet worden. Aber dieser Verdacht hat sich offensichtlich nicht bestätigt – im Jahresbericht 2010 tauchten »Die JungZ« nicht mehr auf. Im Jahr 2011 fanden die Verfassungsschützer dann wieder »Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Ausrichtung«, weshalb »Die JungZ« erneut zum »Verdachtsfall« erklärt wurden. Merkwürdig.
Beim Open-Air am Waldhaus Zella spielte als Nächstes die Skinhead-Band »Jung und Frei«. Von ihr habe ich keine politischen Lieder vernommen, die Besucher schienen sich zunehmend zu langweilen. Viele forderten den Auftritt des Headliners ein: »Ha ho he – Kategorie C.« Ein ganz Ungeduldiger im Shirt der Bremer Band zeigte schon mal mit dem rechten Arm, wie hoch am Waldrand die Heil-Kräuter wachsen. Endlich waren »Jung und Frei« am Ende.
Während der Umbaupause trat vor der Bühne ein Publikumschor zusammen: »Wenn bei Danzig die Polenflotte im Meer versinkt und das Deutschlandlied auf der Marienburg erklingt, zieht die Wehrmacht mit ihren Panzern in Breslau ein. Und dann kehrt Deutschlands Osten endlich wieder heim.« Die »Kameraden« hatten sich offenbar im Text geirrt: Das ist ein »Landser«-Lied, keines von »Kategorie C«. Und der folgende Titel, ebenfalls von Besuchern angestimmt, stammt ursprünglich von »Radikahl«, den selbst ernannten Rettern Deutschlands: »Hängt dem Adolf Hitler, hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um. Hisst die rote Fahne, hisst die rote Fahne, hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz.« Vergeb | 236 | lich schaute ich mich nach den »Kategorie C«-Mitgliedern und dem Ordnungsdienst um – niemand griff ein.
Als sich der Soundcheck abzeichnete, war nur noch ein Sprechchor zu hören: »Ha ho he – Kategorie C.« Hannes Ostendorf, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Antifa halt’s Maul« angezogen hatte, begann seinen Auftritt im Stile eines guten Demokraten: »Morgen müsst ihr alle zur Wahl gehen.« In Thüringen stand am 30. August 2009 die Landtagswahl an, und die NPD wollte ins Parlament einziehen. Um es vorwegzunehmen: Sie kam auf 4,3 Prozent und scheiterte damit an der 5-Prozent-Hürde.
Ähnlich unpolitisch ging es weiter. Ein Fan grölte nach dem ersten Lied: »Scheiß auf die Antifa.« Während des
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