Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
Vom Netzwerk:
einer angeblichen Geburtstagsfeier auftauchen, dann haben sie praktisch keine Chance, noch während des Konzerts zu beweisen, dass es sich um eine öffentliche und keine private Veranstaltung handelt. Das wäre aber die Voraussetzung dafür, um Propagandadelikte wie Hitlergrüße und »Sieg Heil«-Rufe strafrechtlich verfolgen und das Konzert auflösen zu können.
    Eine solche »Geburtstagsfeier« fand beispielsweise am 17. Juli 2004 auf einem Bauernhof bei Kürnach nahe Würzburg statt. 600 Gäste kamen, von ihnen kassierten Mitglieder der Hammerskins Franken am Eingang 20-Euro-Spenden für das Geburtstagskind. Die Hammerskin Nation ist eine rassistische Bruderschaft, die international ähnlich dem Netzwerk Blood & Honour agiert, aber als elitärer gilt. Weil die Nazis ihre Party als privat deklariert hatten, sagte Wolfgang Glücker von der Würzburger Polizei hinterher gegenüber dem Bayerischen Fernsehen: »Wir hatten also nicht die Möglichkeit, auf dieses Veranstaltungsgelände zu gehen. Wir mussten das auch so akzeptieren. Das war für uns nicht überprüfbar an diesem Abend.« Die Reporterin fragte daraufhin: »Was wäre denn der Anlass gewesen, um auf das Gelände draufzugehen?« Glücker: »Ja, wenn zum Beispiel Straftaten vorgekommen wären, wenn wir | 155 | die im Außenbereich mitbekommen hätten, dann hätten wir sehr wohl die Möglichkeit gehabt, dieses Gelände zu betreten.«
    Bei diesem Konzert habe ich mit meiner versteckten Kamera Hitlergrüße dokumentiert. Die Polizei konnte sie nicht sehen, weil das eigentliche Konzert in einer Scheune stattfand. Das »Sieg Heil«-Geschrei haben die Beamten offenbar auch nicht gehört, obwohl der Schuppen nicht schalldicht war. Die Mitglieder der ungarischen Gruppe »Verszerzödes« präsentierten sich an diesem Abend im Stile der deutschen Kultband »Landser« als »Arische Kämpfer«, die gewaltbereit drohten: »Punker, Schwule, Kommunisten steh’n auf unseren schwarzen Listen. Am Tage X, zur Stunde Null, da retten euch auch keine Bull’n.« Und: »Marxisten, die unser Land regier’n und Nigger und Türken integrier’n. Doch wir stehen auf, in Ost und West, und kämpfen gemeinsam gegen diese Pest.« Darüber hinaus gab sich das Publikum sangesfreudig: »Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz, hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um.« Und noch einen anderen Szene-Evergreen schmetterten die Skinheads, das Blut -Lied.
    Konzerte bis zu einer Größenordnung von 100 Personen können von cleveren Neonazis so organisiert werden, dass es keine Anhaltspunkte für den öffentlichen Charakter des Events gibt: angefangen von persönlichen Einladungen per Postversand bis hin zu einem privaten Konzertsaal, der schalldicht ist. Die Regel ist jedoch, dass die Geburtstagsfeiern wie im Kürnacher Fall szeneintern als Konzerte angekündigt werden und die »persönliche Einladung« via Mail-Verteiler verschickt wird – oder es wird per SMS mobilisiert, dann werden die »Einladungen« bei Bedarf an einem konspirativen Treffpunkt verteilt. Was für Geburtstagsfeiern ebenfalls ungewöhnlich ist: Es wird Eintritt kassiert, der bezahlt werden muss, selbst wenn nur um eine »Spende« gebeten wird. All das weiß, wer sich in der Neonazi-Szene bewegt – die bayerische Polizei wusste das in der Regel offenbar nicht. Das deutet darauf hin, dass sie im Bereich der verdeckten Ermittler (Polizisten im Undercover-Einsatz, nicht zu verwechseln mit V-Leuten aus der Szene) schlecht aufgestellt war.
    Während die Polizei in Kürnach ratlos vor der angeblichen Privatveranstaltung gestanden zu haben scheint, weil eine landesweite | 156 | Strategie für solche Einsatzlagen fehlte, waren am 22. Oktober 2005 Staatsschutzbeamte am Werk, die nicht nur auf dem rechten Auge blind, sondern zudem auf dem rechten Ohr taub waren. Die NPD hatte auf den Hof einer abseits gelegenen Gaststätte in Mitterschweib nahe Mitterskirchen geladen. Immer wieder zeigten Neonazis den Hitlergruß, eine Formation aus Mitgliedern der Thüringer Bands »Blutstahl« und »Sonderkommando Dirlewanger (SKD)« spielte Lieder, die teilweise strafrechtlich relevant waren. Ein Textbeispiel: »Wir wollen euren Jesus nicht, das alte Judenschwein.« Oder: »Volk ans Gewehr – gegen Reemtsma und Heer«, ein gesungener Aufruf zum Mord an Jan Philipp Reemtsma und Hannes Heer, die mit ihrer Wanderausstellung bundesweit auf Verbrechen der Wehrmacht aufmerksam gemacht hatten. Ein weiteres Beispiel: »Wir stehen zum Volk und zur

Weitere Kostenlose Bücher