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Blut Schatten

Titel: Blut Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
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du nicht arbeiten, Alistair?« Himmel, fiel mir nichts Sinnvolleres ein?
    »Die Schulter muckt. Deswegen habe ich mir freigenommen«, gab er zurück. »Außerdem wollten wir ein wenig puzzeln.«
    »Puzzeln?«
    »Die Pergamente sind nicht nummeriert und etwas durcheinander«, half Darian nach, kam auf mich zu und küsste mich. »Du erinnerst dich?« Er zwinkerte meinem Bruder zu. »Kaffeeentzug. Da dauert es ein wenig.«
    Natürlich erinnerte ich mich an die Kiste. Natürlich erinnerte mich mein knurrender Magen bei Erwähnung von Kaffee an seinen fehlenden Inhalt. Noch mehr allerdings erinnerte mich etwas Drängendes daran, dass ich tunlichst ein Bad aufsuchen sollte.
    »Erst eine Toilette, dann einen Kaffee und danach weitere Enthüllungen«, bat ich um Informationsaufschub und sah Alistair an. Sogleich trat er beiseite. »Den Gang entlang, die Treppe hinunter, den Rest kennst du.«
    Nachdem ich den Vorhang hinter mir gelassen hatte, blieb ich überrascht stehen. Dies war der Raum, den wir gestern gemeinsam betreten hatten. Nur waren die Kerzen jetzt erloschen, und helles Tageslicht fiel durch die geöffneten Fenster herein. Die Bilder an den Wänden zeigten Naturszenen, waren mit künstlerischer Hand aufgetragen worden und wirkten durch das Wechselspiel des Lichts wie zum Leben erwacht. Links neben mir hing ein riesiger Schild aus Leder, mit den Köpfen eines Wolfes und eines Pumas bemalt und mit Adlerfedern geschmückt. Ein Hirsch, halb hinter einem Baumstamm versteckt, sah dermaßen lebensecht aus, dass ich beinahe erwartete, er würde gleich auf mich zukommen. Und auch der große, weiße Bison inmitten einer weiten Prärie auf der gegenüberliegenden Wand wirkte, als sähe er mich kurz an, um sogleich friedfertig weiterzugrasen. Dann war dort ein Weißkopfseeadler, die Schwingen im Fluge geweitet, die Krallen nach Beute ausgestreckt. Fast meinte ich, seinen Schrei zu hören. Der auf den Hinterbeinen stehende Braunbär zwischen den Fenstern ließ mich instinktiv zurückweichen. Mein Bruder lachte leise.
    Es war fantastisch. Welcher Künstler hatte diese Bilder gemalt?
    »Indian spirits. Man nennt sie auch Geistführer oder spirituelle Begleiter«, flüsterte Darian mir ins Ohr. »Und der weiße Bison stellt laut Tradition der Dakota-Indianer einen Geist namens Tatanka dar, der vor über zweitausend Jahren vorhersagte, dass mit der Geburt eines weißen Büffelkalbs sein neuerliches Erscheinen angekündigt werde. Seine Rückkehr brächte für die Menschen eine Zeit von Glück, Wohlstand und Frieden.«
    »Erinnert mich vage an die Prophezeiung der Bibel, dass Jesus irgendwann mal wieder auftauchen würde.«
    »Viele Vorhersagen überschneiden und ergänzen sich. Andere klingen ähnlich, wenn auch unterschiedliche Symbole benutzt werden.«
    »Woher weißt du das?« Die Unsinnigkeit der Frage ging mir im gleichen Moment auf, in dem ich sie gestellt hatte. Zumal er sie mir entsprechend beantwortete: »Ich hatte ausgiebig Zeit, verschiedene Glaubensrichtungen und deren Praktiken zu studieren.«
    »Wird die Ewigkeit nicht irgendwann mal langweilig?«
    »Da ich seit Jahrhunderten schon mit euch McNamaras zu tun habe, Alistair, kann ich mich über Langeweile nicht beschweren.«
    Mein Blick wurde funkelnd. »Was möchtest du damit genau sagen, Darian?«
    Seine Lippen näherten sich meinem Mund, und mit sonorer Stimme flüsterte er: »Das verrate ich dir, wenn du deinen ersten Kaffee intus und eine Dusche hinter dir hast.«
    Dusche? Ich machte den Schnuppertest, rümpfte die Nase und stimmte Darian insgeheim zu. »Dann bis gleich. Kannst du mir ein Shirt leihen, liebster Bruder?«
    »Klar, ich lege dir gleich eins raus.«
    Kurz darauf betrat ich das Bad. Ein abenteuerlicher Raum. Schmal, beengt, durchweg in Gruselgrün gehalten. Geradeaus unter dem kleinen Fenster befand sich eine Toilette, die ein wenig an die Mitte des vergangenen Jahrhunderts erinnerte. Direkt neben der Tür war die Miniaturausgabe eines Waschbeckens angebracht. Die ganze linke Wand nahm eine altersschwache Wanne mit einem Duffy Duck-Vorhang ein. Die Kombination aus Bade- und Duscharmatur kannte anscheinend nur brühend heiß oder permafrostig. Erst nach einer Weile schaffte ich es auf lauwarm, dann war wohl das warme Wasser des Speichers aufgebraucht und ich landete wieder bei frostig. Eine geringe Anzahl an Duschutensilien ließ mir die Wahl zwischen männlich-markant und weiblich-blumig. So wird es kaum verwunderlich erscheinen, dass ich schließlich

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