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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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lag. Sie gingen am weißen Ledersofa vorbei, anschließend am gläsernen Esstisch. Vor der Wand mit den gerahmten Fotos blieb Erik unvermittelt stehen.
    Was hatte er zu verlieren? Er war an seinem Ziel angelangt. Er musste alles nun auf eine Karte setzen. All-In, wie man beim Poker sagte. Nur bei dieser Runde legte er sein Leben auf den Tisch. Entweder der Killer würde nun zuhören oder nicht.
    »Bitte, schauen Sie sich dieses Foto an, bevor wir weiter zum Handy gehen. Es liegt oben in einem Safe in meinem Arbeitszimmer.« Erik drehte sich langsam zu den Fotografien um. Er wollte zum Lichtschalter neben den Fotos greifen, doch der Schalldämpfer hielt ihn davon ab.
    »Was wird das?« fragte der Rabe. Mittlerweile klang er richtig verärgert, nicht mehr nur angespannt. Eine Aura der Gefahr schwappte in spürbaren Wellen von ihm in den Raum. Er wirkte dabei wie ein ehemaliger Söldnerkommandant, der in Afghanistan oder in Afrika Tod und Verderben verbreitet hatte. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, dass ihm jemand widersprach oder seine Befehle missachtete. Nur die verrohte Art fehlte ihm noch.
    »Es ist nur der Lichtschalter!« Erik atmete in einem Stoß aus und bemühte sich, seine plötzlich angstzitternde Stimme unter Kontrolle zu halten. Jetzt mussten seine Karten gewinnen. »Sie sollen sich ein verdammtes Bild ansehen! Mehr nicht!« Pure Verzweiflung gesellte sich in seine Worte. Eigentlich hatte er wie Bruce Willis klingen wollen, wie ein harter Hund im verschwitzten Unterhemd mit rußgeschwärzten Armen. Stattdessen klang er fast wie ein heulender Teenager, dem das überlebenswichtige Handy geklaut worden war. »Es dauert eine Minute!« Seine Hilflosigkeit stand ihm jetzt ins Gesicht graviert. Seine Beherrschung entglitt ihm. Sein Augenlid begann wahllos zu zucken. Er konnte nur noch hoffen.
    Trotz der auf ihn gerichteten Waffe, betätigte Erik mit bebenden Fingern den Schalter.
    Klack.
    Warmes Licht flutete durch das Zimmer, tauchte die Bilderwand in künstlichen Sonnenschein.
    »Kommen Sie. Schauen Sie sich das an.« Er deutete direkt auf ein gerahmtes Bild in schwarz weiß. Seine Stimmbänder versagten ihm beinahe den Dienst. Komm! Beiß an! Los! Beiß bitte an!
    »Was wird hier gespielt?« fragte der Rabe vorsichtig. Er lag nun auf der Lauer. Bei dem geringsten Fehler von Erik würde er schießen. Daran zweifelte Erik keine Sekunde. Aber er hatte ihn geködert. Gott sei Dank! Sein hohes Pokern ging vielleicht auf. Neugierig trat der Rabe heran, die Pistole weiter im Anschlag.
    Erik deutete nochmals auf die gerahmte Fotografie, die am Rande der aufgehängten Bilder zu sehen war. Auf dem Foto war der junge Erik während der Abiturzeit zu sehen, daneben sein damaliger bester Kumpel. Reimund.
    »Haben Sie Ihren Auftraggeber getroffen? War es dieser Mann? Er ist jetzt nur gute 33 Jahre älter, aber er ist immer noch erkennbar. Er hat sich nicht so stark verändert.«
    Der Killer antwortete nicht, besah sich nur schweigend die alte Aufnahme. Erik konnte ein überraschtes Zucken in den gemeißelten Gesichtszügen des Mannes erkennen. Seine vage Vermutung wurde fast zur Gewissheit.
    »Ich habe Recht, oder? Dieser Mann hat Sie beauftragt mich umzubringen. Es sollte wie ein Unfall aussehen heute Morgen, oder? Dieser Mann möchte die Namen aller Mitwisser erfahren. Ist es nicht so?« Seine Stimme zitterte vor Aufregung. Sein Puls hämmerte an der 160er Marke entlang.
    »Was wissen Sie?« fragte der Rabe misstrauisch, während er den Blick von der Fotografie zurück zu Erik schweifen ließ.
    Dieser zuckte nur mit den Schultern. Plötzlich brach der Geschäftsmann wieder heraus, überlagerte die Angst.
    »Das kommt darauf an, was Sie wissen wollen. Ich schlage Ihnen einen Deal vor. Sie geben mir zehn Minuten, in denen ich Ihnen die ganze Geschichte grob erkläre. Danach erhalten Sie die Namen und Ihr Mobiltelefon und dann … weiß Gott was geschehen wird.«
    Erik hatte den Killer aufmerksam gemustert, während er sein Angebot unterbreitet hatte. Hinter der Stirn des Mannes arbeitete es gewaltig. Erik konnte beinahe hören, wie die Zahnräder ineinander griffen, sich drehten und knirschten.
    »Ihnen ist schon klar, dass Sie sich auf sehr dünnem Eis befinden, Herr Ritter«, meinte der Osteuropäer nach einem langen Augenblick. »Aber gut. Fünf Minuten! Reden Sie!«

Kapitel 12
    Natalja bog nach rechts ab und folgte dem Straßenverlauf. Langsam zeichnete sich der Bürokomplex von Erik Ritter, ebenfalls im kantigen

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