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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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ausgestattet, die Fenster wurden geöffnet, um frische Mailuft hereinzulassen, und eine der Damen zupfte auf einer Laute, doch es wurde nur leise geflüstert, und niemand lachte laut. Klösterlich, dachte Marie, die Stimmung in den Räumen der Herzogin war gedämpft und klösterlich. Sie trat an einen schmalen Rosenholztisch und murmelte den Titel des Buches, das dort auf einem goldbestickten Tuch lag: »Descriptio quorandum sanctorum gestorum insignium cum praevio Calendario 1613«.
    Sacht fuhr sie mit den Fingerspitzen über die Randleisten des Buchdeckels, in denen geflügelte Puttenköpfe sich neben Festons, Papageien und Medaillons mit Darstellungen der theologischen Tugenden Fides, Caritas und Spes drängten.
    »Gefallen Euch meine Heiligen?«, erklang plötzlich die warme Stimme von Herzogin Elisabeth hinter ihr.
    »Verzeihung, Eure Durchlaucht!« Marie trat zur Seite und versank in einen tiefen Hofknicks. Aus dem Augenwinkel konnte sie das hämische Grinsen der Gräfin von Larding und ihrer Freundinnen sehen.
    Doch die Herzogin öffnete ihr Heiligenbuch und sah Marie an. »Habt Ihr einmal einen Blick hineingeworfen? Nein? Schaut nur, es sind meine persönlichen Heiligen.«
    Ehrfürchtig näherte sich Marie der Herzogin, deren schmales Gesicht von großen, melancholischen Augen und einem schön geschwungenen, doch selten lächelnden Mund geprägt wurde. Elisabeths Kinn ruhte auf einer zarten Halskrause aus kostbarer Spitze. Lothringer Klöppelkunst, dachte Marie unsinnigerweise, während sie überlegte, was sie sagen sollte. Die Herzogin war blass, die Ränder unter ihren Augen dunkel, und das Geschmeide auf dem Brokatstoff ihrer dunklen Robe schien sie zu erdrücken.
    »Eure Durchlaucht sind zu gütig«, sagte Marie leise und hörte das einsetzende Getuschel der Damen, die eifersüchtig jeden beobachteten, dem die Herzogin ihre Gunst schenkte.
    Elisabeth blätterte die pergamentenen Seiten um und hielt bei der Kopfminiatur einer Frau inne. »Cäcilia. Sie hat heimlich ein Gebet zur Erhaltung ihrer Jungfräulichkeit zu Gott gesungen, während die weltliche Hochzeitsmusik spielte.«
    Die Ehrendame der Herzogin näherte sich mit einem Tablett, auf dem ein Wasserkrug und eine kleine Perlmuttschale mit Pillen standen. »Eure Durchlaucht, es ist Zeit.«
    »Ach, es hilft doch alles nichts«, seufzte Elisabeth und wandte sich an Marie. »Ihr seid Witwe. Seid Ihr mit Kindern gesegnet worden?«
    »Nein, Durchlaucht.«
    »Habt Ihr auch während der Hochzeitsmusik gebetet?« Die traurigen dunklen Augen blickten Marie an und schienen sie doch nicht zu sehen.
    Verschämt senkte Marie den Kopf. »Nein, Eure Durchlaucht, ich …« Hilflos brach sie ab.
    »Wir sind in Gottes Hand. Das allein ist von Bedeutung.« Elisabeth drückte eine Hand, die so klein war, dass sie einem Kind hätte gehören können, gegen das spitz zur Leibesmitte zulaufende Korsett.
    Die Ehrendame, eine ältliche Baronin, räusperte sich und warf Marie einen strafenden Blick zu. »Eure Durchlaucht sollten sich setzen. Die Arznei wirkt ausgleichend und lässt den Körper zur Ruhe kommen.«
    Täglich nahm die Herzogin ihre Dosis an Kräutern und einem Opiat, wie Marie vermutete, ein und begab sich danach zur Ruhe. Elisabeth bewegte die grünen und braunen Pillen in der kleinen Schale hin und her, entschied sich für ein braunes Kügelchen und schob es sich in den Mund. Mit geschlossenen Augen ließ sie es auf der Zunge zergehen.
    Marie beschloss, den fast privaten Augenblick mit der Herzogin zu nutzen. »Ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein darf, Durchlaucht, aber mein Oheim ist schwerkrank, und wenn Ihr meiner nicht bedürft, würde ich ihn gern besuchen.« Sie hörte die Damen scharf den Atem einsaugen. Mit diesem unstandesgemäßen und jedes Protokoll missachtenden Ansinnen hatte sie sich womöglich auf ewig die Gunst der Herzogin verspielt.
    Elisabeth öffnete langsam die Augen und stützte sich mit den Händen auf dem Rosenholztischchen ab. »Ein Krankenbesuch? Das ist sehr mitfühlend. Wann immer es nötig ist, nehmt Euren Urlaub.« Sie schluckte, wartete einen Augenblick und fügte mehr zu sich hinzu: »Und vergesst nicht, mir ein Mariengnadenbild mitzubringen.«
    »Gern! Eure Durchlaucht. Mein untertänigster Dank!« Voll ungläubiger Freude sank Marie in einen tiefen Hofknicks und konnte ihr Glück immer noch nicht fassen, als sie bereits im Vorzimmer der Herzogin auf Vroni wartete. Sie hatte die offizielle Erlaubnis, den Hof zu verlassen,

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