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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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entlang, bis sie zum Klostergebäude kamen, das direkt an den Chor von Sankt Anton grenzte. Marie betätigte die Glocke neben der Tür. Fast im selben Moment wurde ihnen von einem älteren Mönch geöffnet, dessen Stirn von einer breiten Narbe entstellt war.
    »Gott zum Gruße, Bruder. Wir möchten mit Bruder Thomas sprechen. Er hat mir eine Nachricht zukommen lassen.« Marie nannte ihren Namen, und der Mönch hieß sie, ihm zu folgen. »So feinen Besuch haben wir nicht oft, und dann gleich zweimal an einem Tag«, sagte er und führte sie in den Kreuzgang, der den Klostergarten umgab. »Wartet bitte hier, Bruder Thomas wird gleich zu Euch kommen. Und lasst den Hund nicht durch die Kräuterbeete laufen.«
    Ein Brunnen markierte die Mitte des liebevoll angelegten Gartens, und in den einstöckigen Hausteilen, die sich am Kreuzgang befanden, vermutete Marie die Zellen der Mönche.
    »Die haben zwar keinen Besitz, aber arm würde ich sie auch nicht nennen«, meinte Vroni und sah sich ehrfurchtsvoll in dem kreuzgewölbten Gang um.
    Von der anderen Seite klangen Gänse- und Hühnergeschnatter herüber, und auf der Straße vor dem Kloster rollte ein Ochsenkarren vorbei. Ansonsten herrschte Stille in den Klostermauern.
    »Meine Mutter hat immer gesagt, wenn sie es hätte zahlen können, hätte sie mich ins Kloster geschickt, aber hier mag man ja nicht atmen, so ruhig ist das!« Vroni zog nervös an einem ihrer Zöpfe.
    »Ah, da kommt er schon!« Marie schenkte Bruder Thomas ein Lächeln, das dieser erwiderte. Er warf einen kurzen fragenden Blick auf Vroni.
    »Vielleicht darf das Mädchen sich in der Küche einen Becher Bier holen?«, schlug Marie vor.
    Thomas nickte. »Du gehst hier vorn gleich links die Stufen hinunter, und dann riechst du schon, was Bruder Stefan heute aus einem einzigen Huhn alles für fünfzehn hungrige Mönche machen kann.«
    »Nur ein Huhn?« Kopfschüttelnd zog Vroni davon.
    »Wir müssen dort entlang.« Thomas führte Marie und Aras, der ihr lautlos folgte, fast so, als hätte er verstanden, dass er hier nicht gern gesehen war.
    »Ambrosius, so ist der geistliche Name des Mannes, den Ihr zu sprechen wünscht, lebt selbst für einen Mönch sehr abgeschieden. Unser Hausvater hat ihm eine Sonderstellung eingeräumt, weil er bei seinem Eintritt dem Orden sein gesamtes Vermögen übereignet hat. Die einzige Bedingung, die er stellte, war, dass man seine weltliche Identität nicht preisgibt.«
    Sie stiegen eine hölzerne Treppe in den ersten Stock hinauf. Hinter einer ebenfalls hölzernen Balustrade reihten sich die Türen zu den Zellen der Mönche.
    »Wisst Ihr, warum? Hatte er jemanden erzürnt? Er war doch Arzt, soweit ich das von Remigius weiß. Vielleicht eine missglückte Behandlung?«, erkundigte sich Marie.
    »Arzt? Das wusste ich nicht. Ich kann Euch dazu nichts sagen. Er hat nicht mit uns über seine Vergangenheit gesprochen. Umso erstaunter war ich, als er einwilligte, Euch zu sprechen. Das ist das erste Mal in zehn Jahren.« Thomas blieb stehen. »Es ist die letzte Tür. Ruft einfach in den Garten hinunter, wenn Ihr mich braucht.«
    »Danke.« Doch Bruder Thomas hatte sich schon umgedreht und ging in der stillen, zielstrebigen Art der Mönche seinem Tagwerk nach.
    Beklommen näherte Marie sich der schlichten Holztür am Ende des Ganges. Sie räusperte sich, bevor sie klopfte, und nahm erschrocken die Hand zurück, als Aras leise zu winseln begann und sich seine Nackenhaare aufstellten. »Was ist denn los?«
    Ängstlich und mit einer bösen Vorahnung drückte sie gegen die Tür, die nach innen aufschwang. »Bruder Ambrosius? Ich bin es, Marie von Langenau.«
    Aras folgte ihr nicht, sondern legte sich im Gang auf den Boden, was sie noch mehr beunruhigte. Als keine Antwort erfolgte, stieß sie die Tür zur Gänze auf und fasste sich erschüttert an die Brust. »Oh, lieber Himmel, nein!«
    Auf der kargen Bettstatt lag ausgestreckt der Körper eines bärtigen alten Mannes. Dass er den ewigen Schlaf gefunden hatte, zeigten seine zur Decke gerichteten, weit aufgerissenen Augen und weißer Schaum, der ihm aus dem Mund quoll. Als sie genauer hinsah, wurde ihr eiskalt: Melchior Janus war mit der Kordel seiner Kutte erdrosselt worden. Stuhl und Tisch waren umgestoßen, ein Regal von der Wand gerissen, und die Bibel lag aufgeschlagen auf dem Boden.
    Nach Luft ringend stürzte Marie aus dem Totenzimmer und wollte nach Bruder Thomas rufen, doch sie brachte nur würgende Laute heraus.

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