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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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bleiben.«
    »Weil Sie Hotelgast waren?«
    »Vermutlich.«
    »Aber Sie sind viel mit ihr ausgegangen. Ihre Verbindung wäre über kurz oder lang entdeckt worden.«
    »So häufig waren wir auch nicht zusammen. Ich war ja ständig unterwegs, und sie mußte sich um ihren Vater kümmern.«
    »Eine andere Frage. Hat sie in Ihrer Gegenwart jemals einen roten qipao getragen?«
    »Sie war keine Modepuppe. Ich habe immer wieder versucht, ihr neue Sachen zu kaufen, doch sie lehnte ab. Sie hatte zum Beispiel ein Pyjama-Oberteil, das fünfzehn Jahre zuvor schon ihre Mutter trug. Nein, so etwas …« Von Erinnerungen überwältigt brach Weng ab. »Der Himmel muß blind sein. Ein Mädchen wie sie sollte nicht mit soviel Unglück geschlagen sein, und nicht mit einem solchen Ende …«
    Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Weng nahm ab, als hätte er den Anruf erwartet.
    »Ach ja, Mr. Newman, wegen des Angebots – einen Moment bitte.« Weng drehte sich um, die Hand auf der Sprechmuschel. »Tut mir leid, ein Auslandsgespräch. Können wir uns ein andermal unterhalten?«
    »Kein Problem.« Yu zog eine Karte hervor und schrieb die Nummer des Mobiltelefons darauf, das ihm das Präsidium zeitweilig überlassen hatte. »Sie können mich jederzeit anrufen.«
    Der Besuch hatte nicht viel Neues gebracht, aber zwei Ergebnisse gab es doch. Weng schied als Tatverdächtiger aus, und – wichtiger noch – Liaos Vermutung, Jasmine sei ein leicht verführbares Opfer aus dem Sexgewerbe gewesen, hatte sich als falsch erwiesen.

11
    WIEDER EINMAL VERSUCHTE Peiqin auf ihre Weise bei den Ermittlungen zu helfen.
    Sie sammelte Hintergrundinformationen über Qiao, das Tischfräulein. Da sie selbst in einem Restaurant arbeitete, konnte sie unauffällig auf derartige Dienstleistungen zu sprechen kommen. Pan, der Koch, kannte sich da aus.
    »Ja, die Dreispartengirls – essen, singen und tanzen«, erklärte er bereitwillig und knabberte dabei genüßlich geröstete Erdnüsse mit Seetang. »Auch sie sind eine Besonderheit unseres neuartigen Sozialismus chinesischer Prägung. Im Sozialismus muß alles ein Deckmäntelchen haben, genau wie unter dem Schild mit dem Schafskopf eifrig Katzen- und Hundefleisch verkauft wird. Die Parteiführung beharrt darauf, daß hier keine Prostitution existiert, so steht es schwarz auf weiß in der Parteizeitung, aber dafür gibt es die Grauzone der dreifachen Dienstleistung.«
    »Sie haben in erstklassigen Restaurants gearbeitet, Pan«, bemerkte Peiqin und goß ihm Ginseng-Tee nach, ein Geschenk von Oberinspektor Chen, »Sie wissen Bescheid.«
    »Angeblich soll ja schon Konfuzius gesagt haben, daß es in der menschlichen Natur liegt, sich am Essen und am Sex zu erfreuen. Was glauben Sie, welcher Geschäftszweig in den beispiellosen Wirtschaftsreformen unter Führung des Genossen Deng Xiaoping die größten Zuwachsraten verzeichnet hat? Das Unterhaltungsgewerbe. All die neuen Nobelrestaurants und Nachtclubs, wo Neureiche und Parteikader ihr Geld verschleudern. Dort sind auch die Tischfräulein aufgekommen.«
    »Wie verdient so ein Tischfräulein eigentlich sein Geld?«
    »Für einen solchen Geldsack ist die Gegenwart einer attraktiven jungen Frau, die sich an ihn schmiegt und ihn mit den besten Happen füttert, die Krönung eines romantischen Abends bei Kerzenschein. Das baut sein Ego auf und demonstriert Macht und Erfolg. Übrigens sind die Anforderung in diesem Beruf hart. Ein hübsches Gesicht allein genügt nicht, das Mädchen muß intelligent sein und ihren Auftraggeber davon überzeugen, daß sie ihr Geld wert ist. Für sie springen ein gutes Essen und eine beträchtliche Prämie dabei heraus. Durch die Wahl teurer Weine und erlesener Spezialitäten treibt sie die Zeche, von der sie zehn Prozent erhält, in schwindelnde Höhen, dazu kommt noch das Trinkgeld. Außerdem kann sie am Tisch, besser gesagt unter dem Tisch, weitere Vereinbarungen treffen, denn alles was danach passiert, geht das Restaurant nichts an. Insgesamt sind das ansehnliche Einnahmen.«
    »Das ist interessant, Pan.«
    »Tischfräulein verkehren nicht in schäbigen Lokalen wie dem unseren, aber sie bringen Umsatz. Auch wir hier werden uns verändern müssen.«
    »Vielen Dank erst mal«, sagte Peiqin, obwohl sie diese allgemeinen Ausführungen kaum zufriedenstellten. Sie brauchte konkretere Auskünfte.
    Auch was sie von ihren Kollegen aufschnappte, stammte aus zweiter Hand; vage und unzuverlässige Informationen, die beim Weitererzählen entsprechend

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