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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Friedhof beigesetzt worden war, wie der Heimatkundler vermutete, waren es nun auf einmal die toten Seelen dieser geschändeten Ruhestätte, die sich an den Töchtern ihrer einstigen Übeltäter rächten.
    »Solche Vermutungen sind völlig unbegründet«, sagte Yu.
    »Beantworten Sie mir nur eine Frage, Hauptwachtmeister Yu. Sagt Ihnen der Name Wengge Hongqi etwas?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Haben Sie nicht die höchst ungewöhnliche Anzeige in den Shanghaier Abendnachrichten bemerkt, mit denen wir das Redaktionsgebäude teilen? Sie wurde unter diesem Namen dort aufgegeben. Angesichts der früheren Opfer im roten qipao – die eine Karaokesängerin, die nächste Tischfräulein – leuchtet die Botschaft doch unmittelbar ein«, triumphierte Duan. »Die Gruppe von Rotgardisten, die auf diesem Friedhof ›Revolution machte‹, nannte sich wengge hongqi . Der Zusammenhang springt unmittelbar ins Auge. So unbegründet sind diese Vermutungen keineswegs.«
    »Wilde Spekulation ist das, reiner Zufall«, entgegnete Yu erbost, obwohl er selbst nicht mehr an einen Zufall glaubte. »Wie sind Sie auf die Anzeige aufmerksam geworden?«
    »Keine Mauer, durch die nicht der Wind streicht. Ihre Leute haben sich bei den Abendnachrichten erkundigt, und wir arbeiten im gleichen Haus. Ich bin überzeugt, daß die Morde auf Greueltaten während der Kulturrevolution aufmerksam machen wollen, besonders auf solche, die gegen Frauen in roten qipaos verübt wurden. Stand Ihr Interesse für diese Anzeige nicht vielleicht doch im Zusammenhang mit den Ermittlungen?«
    »Was wollen Sie? Es gab unzählige Rote Garden mit derartigen Namen. Ich muß Sie warnen, Duan. Wer solche Schauergeschichten verbreitet, muß am Ende dafür geradestehen.«
    »Unsinn, Hauptwachtmeister. Solange der Fall ungelöst ist, wird es noch viele solche Geschichten geben. Ah, da kommen ja auch schon meine Kollegen«, bemerkte Duan und deutete auf einen Kleinbus, der am Friedhofstor vorfuhr. »Warum ist eigentlich Oberinspektor Chen heute nicht an Ihrer Seite? Grüßen Sie ihn, wenn Sie ihn sehen.«
    Als er weitere Reporter auf den Friedhof strömen sah, ergriff Yu die Flucht. Während er zum Ausgang eilte, rief er bei Chens Mutter an.
    »Wie nett, daß Sie sich nach mir erkundigen, Hauptwachtmeister Yu, aber mir geht es gut. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, antwortete sie, als hätte sie seinen Anruf erwartet.
    »Ich bin auf der Suche nach Chen, Tantchen. Können Sie mir sagen, wo er steckt?«
    »Ach, ich dachte, Sie wüßten das. Vor zwei, drei Tagen rief er hier an, um zu sagen, daß er in einer dringenden Angelegenheit verreisen müsse. Hat er Ihnen nicht gesagt, wohin? Ist etwas passiert?«
    »Nein, nein. Vermutlich hatte er es eilig. Machen Sie sich keine Sorgen, Tantchen. Er wird sich schon bei mir melden.«
    »Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie von ihm hören«, sagte sie, nun offensichtlich beunruhigt. Auch ihr war klar, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein mußte, wenn ihr Sohn seinen Partner nicht informierte.
    »Das werde ich«, versprach Yu. Rückblickend fiel ihm auf, daß ihm Chen in letzter Zeit verändert erschienen war. Vielleicht der viele Streß, wie Peiqin meinte. Aber für Yu war das keine ausreichende Erklärung. Wer stand denn nicht unter Streß?
    »Übrigens, gestern hat mich Weiße Wolke angerufen«, hörte er die alte Dame murmeln, als spräche sie zu sich selbst. »Sie hat mir versichert, es gehe ihm gut.«
    »Dann wird er sich wohl bei ihr gemeldet haben«, sagte Yu. »Ich halte Sie auf dem laufenden.«
    Doch im nächsten Augenblick hatte Yu andere Sorgen. Parteisekretär Li war in der Leitung, der ihm eröffnete: »Sie werden die Pressekonferenz heute nachmittag leiten.«
    »Aber das habe ich noch nie gemacht, Parteisekretär Li.«
    »Immerhin konnten Sie Oberinspektor Chen mehrfach dabei zusehen, da werden Sie sich doch ein paar Tricks abgeschaut haben.« Dann fügte er noch hinzu: »Wo um Himmels willen steckt er bloß?«
    »Ich habe eine Nachricht hinterlassen«, antwortete Yu ausweichend. »Er wird sicher bald zurückrufen.«
    Auf dem Weg ins Präsidium erkundigte er sich bei Peiqin nach der Telefonnummer von Weißer Wolke.
    Chens Partner zu sein war doch kein so beneidenswerter Job, dachte er bei sich.

21
    IN EINEM TAXI, das buchstäblich durch den Shanghaier Verkehr kroch, saß Chen, tief erschüttert von der Nachricht von Hongs Tod.
    Am Mittwoch voriger Woche hatte ihn ein Wagen in das Ferienresort gebracht,

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