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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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wie konnte ein solches Bild eine Kontroverse auslösen?« fragte Chen. »Das ist doch kein Film. Es gibt keine Geschichte dazu.«
    »Nur eine Gegenfrage, Oberinspektor. Wie sah der ideologisch korrekte Frauentyp der Mao-Zeit aus? Das waren eiserne Mädels, maskulin und militant; sie trugen die gleichen formlosen Mao-Anzüge wie die Männer. Keinerlei Anspielung auf weibliche Formen oder romantische Leidenschaft. Im damaligen politischen Klima war die implizite Botschaft eines solchen Bildes nicht genehm, zumal es für einen nationalen Preis nominiert worden war.«
    »Welche implizite Botschaft?«
    »Zumindest stellte es die ideale Mutter als feminin, elegant und bourgeois dar. Eine Aussage, die durch den Garten im Hintergrund noch verstärkt wurde.«
    »Könnten Sie mir das Bild in allen Einzelheiten beschreiben?«
    »Tut mir leid, das ist alles, woran ich mich erinnern kann. Ich habe es momentan nicht vorliegen. Sie können es aber leicht finden. Es wurde 1963 oder 1964 in der Zeitschrift Chinesische Fotografie veröffentlicht, dem damals führenden Fotomagazin.«
    »Vielen Dank, Xiong. Ihre Informationen haben mir viel geholfen.«
    Umgehend machte Chen sich auf den Weg in die Bibliothek, die zum Glück nicht weit entfernt lag.
    Mit Hilfe der Bibliothekarin Susu hielt er innerhalb von zehn Minuten ein Exemplar der fraglichen Ausgabe der Chinesischen Fotografie in Händen. Normalerweise benötigte man Stunden, um an eine Zeitschrift aus den Sechzigern zu kommen.
    Die Aufnahme war, wie er bereits wußte, schwarzweiß und die darauf abgebildete Frau im qipao eine echte Schönheit. Chen konnte nichts über die Farbe ihres Kleides sagen, aber es war kein heller Farbton.
    Sie stand barfuß in einem Garten, hinter ihr ein glitzernder Bachlauf, in den sie vielleicht eben die Füße getaucht hatte. Der Knabe an ihrer Hand war sieben oder acht Jahre alt und trug das rote Halstuch der jungen Pioniere. Sonst war niemand zu sehen.
    Chen borgte sich von Susu eine Lupe und studierte das Kleid genauer.
    Es schien von gleicher Machart zu sein wie die Kleider auf den Fotos der Leichen – kurze Ärmel und moderate Schlitze, vom Gesamteindruck eher konservativ. Auch die Stoffknöpfe in Fischform waren die gleichen.
    Der einzige Unterschied bestand darin, daß sie ihren qipao auf anmutige Weise trug, die Knöpfe sittsam geschlossen. Sie war zwar barfuß, stand aber eher im Hintergrund und war in Begleitung ihres kleinen Sohnes, ganz wie eine glückliche junge Mutter.
    Der Fotograf hieß Kong Jianjun. Im Index stand, er sei Mitglied des Shanghaier Künstlerverbands.
    Als Chen mit der Zeitschrift unter dem Arm die Bibliothek verließ, heulte eine Sirene über das östliche Ende der Nanjing Lu. Chen war geneigt, das für eine Botschaft von Hong zu halten, ihre Seele, oder was immer, schien ihn bei seinen Ermittlungen zu leiten.
    Er rief beim Shanghaier Künstlerverband an.
    »Kong Jianjun ist vor einigen Jahren verstorben«, sagte ihm eine junge Sekretärin. »Soviel ich weiß, war er während der Kulturrevolution der Massenkritik ausgesetzt.«
    »Haben Sie vielleicht eine Adresse?«
    »Die in unserem Archiv ist alt. Er hatte keine Kinder, hinterließ nur seine Frau. Sie muß hoch in den Siebzigern sein. Ich kann Ihnen die Unterlagen ins Präsidium faxen.«
    »Besser zu mir nach Hause. Ich bin im Ur… äh, Moment. Faxen Sie sie bitte an diese Nummer«, verbesserte er sich rasch und gab ihr die Nummer der Bibliothek durch.
    »Gut. Sie können sich ja an das Nachbarschaftskomitee wenden, falls seine Frau noch dort wohnt.«
    »Danke, das werde ich.«
    Er kehrte in die Bibliothek zurück, um sein Fax in Empfang zu nehmen. Susu brachte ihm die Seiten zusammen mit einer Tasse frischem Kaffee und einem Stück Nußkuchen.
    »Gefälligkeiten von einer Schönheit annehmen gehört zum Schwersten, was es gibt«, sagte er.
    »Jetzt zitieren Sie schon wieder Daifu«, bemerkte sie lächelnd. »Sie könnten sich auch mal was Neues einfallen lassen.«
    Doch statt dessen fiel ihm unvermittelt eine Szene aus einer anderen Bibliothek, in einer anderen Stadt ein, die Jahre zurücklag … Der Frühlingsmond / ist mir noch gewogen / und scheint auf den einsamen Besucher, / schimmert auf den Blütenblättern, / die in den verlassenen Garten fielen.
    Die Zeit floß dahin wie Wasser. Er stürzte den starken Kaffee hinunter, schwarz und bitter, den er besser abgelehnt hätte. Aber Susu wußte schließlich nichts von seinen gesundheitlichen Problemen.
    Er sah sich

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