Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
Vom Netzwerk:
der Anblick des Himmelslichts. Ich bitte um ein großzügiges Trinkgeld für meine Vermittlung.«
    »Davon war nie die Rede«, bemerkte er, zückte aber dennoch zwei Hunderterscheine.
    »Jeder Shanghaier weiß das«, blaffte sie und ließ die Banknoten rasch verschwinden. »So ein Geizhals«, murmelte sie im Hinausgehen. »Soll ich vielleicht vom heulenden Westwind satt werden?«
    Seine Bekannten aus der Geschäftswelt gaben mit Sicherheit mehr, er hingegen kannte die Preise nicht.
    »Kümmern Sie sich nicht um sie«, sagte Grüne Jade. »Sie ist keine richtige Hausdame, bloß eine Puffmutter.«
    Vielleicht sollte er seine Fragen besser rasch vorbringen und sich dann davonmachen.
    »Angeblich soll ein Serienmörder hier unterwegs sein, der es auf Mädchen aus dem Unterhaltungsgewerbe abgesehen hat. Haben Sie keine Angst, Grüne Jade?«
    »Da fragen Sie?« antwortete sie und rutschte nervös hin und her. »Eines der Opfer hat angeblich in einem Club wie diesem gearbeitet. Jede von uns ist auf der Hut, aber was nützt das schon.«
    »Wieso?«
    »Was glauben Sie? Sie sind neu hier, keiner von diesen nach Geld stinkenden Senkrechtstartern; Sie sind etwas Besseres, vielleicht gar ein bekannter Anwalt oder so. Das sehe ich auf den ersten Blick. Aber mehr auch nicht. Dennoch würde ich Ihnen ungefragt folgen. Unser Geschäft ist zurückgegangen seit der Mordserie. Die Kunden befürchten Razzien, wie im Joy Gate. Manche werden sich erst wieder blicken lassen, wenn der Sturm vorüber ist …«
    Es klopfte leise an der Tür.
    Bevor sie etwas sagen konnte, trat ein fünf- oder sechsjähriger Junge ein. »Mama, Onkel Braunbär möchte, daß du ihm den Weinenden Sand vorsingst. Madam sagt, ich soll dir das ausrichten.«
    »Entschuldigen Sie. Das ist mein Sohn. Heute hatte niemand Zeit, auf ihn aufzupassen«, erklärte sie. »Braunbär ist ein Stammkunde. Es ist sein Lieblingslied. Bin gleich zurück.«
    »Stammkunden gehen vor«, sagte Chen. Vielleicht war das auch bloß ein Manöver der Hausdame. Auch Grüne Jade mußte bemerkt haben, daß bei ihm nichts zu holen war.
    »Sie sind anders als die anderen, das habe ich gleich bemerkt«, sagte sie und küßte ihn auf die Stirn, bevor sie das Zimmer verließ. Zu ihrem Sohn sagte sie: »Du gehst ins Büro zurück. Und da bleibst du.«
    Einen Augenblick lang war Chen unschlüssig, was er tun sollte. Er sah sich im Zimmer um, es wirkte wie eines der üblichen Karaoke-Séparées, nur aufwendiger möbliert. Irritiert lauschte er leichten Schritten draußen auf dem Flur. Womöglich das Kind. Sie dürfte ihren Jungen nicht an einen solchen Ort mitnehmen. Zum Glück war er tatsächlich »anders als die anderen«. Was aber, wenn der Kleine Zeuge einer traumatisierenden Szene wurde?
    Plötzlich begann Chen zu zittern.
    Nun hatte er einen Verdächtigen mit einem Motiv – Meis Sohn.
    Was Meis Sohn an jenem lange zurückliegenden, fatalen Nachmittag bei seiner Rückkehr gesehen hatte, war seine verwitwete Mutter beim Sex mit einem anderen Mann. Das erklärte, warum er im Schock davongelaufen war und sie nackt hinter ihm her.
    Alles fügte sich auf einmal zusammen. Er hatte das Motiv, er kannte das Kleid, und er wußte um die tragischen Ereignisse in ihrem Leben.
    Und noch vieles mehr ließ sich erklären – seine Rache an Tian und Jasmine, die genauen Nachbildungen des qipao , der Fundort der ersten Leiche …
    Doch was war aus dem Jungen von damals geworden? Weder Professor Xiang noch Genossin Weng wußten etwas über ihn. Dennoch war er nicht einfach verschwunden. Er hatte die Villa verkauft, und das aus verständlichen Gründen.
    Alles paßte in das psychologische Profil, das er mit Yu entwickelt hatte – ein Einzelgänger, der in seiner Kindheit, vermutlich während der Kulturrevolution, ein traumatisches Erlebnis gehabt hatte und eine enge Mutterbindung …
    Eine weitere Bedienung betrat das Zimmer, sie trug eine Schürze, auf der eine Tüte Popcorn abgebildet war. Eine solche stellte sie nun auch auf den Couchtisch. Chen zog einen Zehn-Yuan-Schein hervor.
    »Macht aber fünfzig.«
    »Na gut.« Er versuchte, sich wie ein ordentlicher Kunde zu benehmen; immerhin war ihm soeben in diesem Raum eine wichtige Erkenntnis gekommen. Er legte einen Hunderter auf den Tisch und bedeutete ihr, sie möge ihn allein lassen.
    »Danke, mein Herr. Ich habe früher als Model gearbeitet, aber so was kann man nur drei, vier Jahre lang machen.«
    In dem Moment kam Grüne Jade zurück und starrte die

Weitere Kostenlose Bücher