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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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zukehrend, eine Zigarette an.
    Ein plötzliches Klopfen ließ ihn aufschrecken. Er sah einen Arbeiter, der einen riesigen gefrorenen Fisch mit einem großen Hammer in Stücke hackte. Beim Klang von Chens Schritten drehte der Mann sich um, doch der hochgeschlagene Kragen seines wattierten Armeemantels ließ ihn kopflos erscheinen, ein garstiger Anblick so früh am Morgen.
    Chens Nerven lagen noch immer blank.
    Doch bald darauf näherten sich mehrere Frauen mittleren Alters der Korbreihe und nahmen ihren Platz am jeweiligen Stand ein. Langsam belebte sich der Markt.
    Dann ertönte eine Glocke, die den Verkauf offiziell eröffnete. Nun drängten die Händler aus allen Richtungen gleichzeitig heran. Manche legten ihre Ware einfach auf den Boden, andere richteten sich hinter Verkaufsständen ein, die sie vom städtischen Marktamt gemietet hatten. Eine Linie zwischen sozialistischer und kapitalistischer Wirtschaft war hier kaum noch zu ziehen.
    Ein alter Mann mit roter Armbinde betrat den Marktplatz.

26
    DER ALTE INSPIZIERTE hie und da Gemüse oder Fisch, bot aber selbst nichts feil. Das mußte Fan sein.
    Vor nicht allzu langer Zeit hatte Chen eine ähnliche Szene beobachtet: der Alte Jäger, wie er auf einem Markt Streife ging. Fans Aufgabe hier war jedoch eine andere. Im sogenannten Sozialismus chinesischer Prägung war privater Handel mittlerweile an der Tagesordnung und, nachdem in Abwandlung einer Redewendung inzwischen viele »nur aufs Geld sahen«, leider auch hemmungsloser Betrug. Das beschränkte sich nicht länger nur darauf, daß man Fische mit Eiswürfeln präparierte oder Hühnern Wasser injizierte, inzwischen wurden Produkte auch bemalt, und verdorbenes Fleisch oder giftige Pilze gelangten in den Verkauf. Fan mußte solche Fälschungen, die unter Umständen tödlich sein konnten, aufspüren.
    Chen ging auf den alten Mann zu, der gerade einen Krabbenhändler aufs Korn nahm.
    »Sie müssen Onkel Fan sein.«
    »Ja. Und wer sind Sie?«
    »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen – allein?« Chen reichte ihm seine Karte. »Es ist wichtig.«
    »Natürlich«, entgegnete Fan und wandte sich an den Händler: »Nächstes Mal kommen Sie nicht mehr ungeschoren davon.«
    »Trinken wir dort drüben eine Tasse Tee.« Chen deutete auf eine kleine Imbißbude hinter dem Stand mit dem Gelbfisch. »Da können wir uns hinsetzen und reden.«
    »Die schenken keinen Tee aus, aber ich werde sie bitten, uns eine Kanne aufzugießen«, sagte Fan. »Nennen Sie mich Genosse Fan. Diese Anrede ist zwar nicht mehr zeitgemäß, aber ich bin es so gewöhnt. Es erinnert mich an die Jahre der sozialistischen Revolution, als alle noch gleich waren und gemeinsame Ziele hatten.«
    »Da haben Sie recht, Genosse Fan«, bestätigte Chen. Inzwischen wurde »Genosse« in Hongkongs und Taiwans Schickeria als Synonym für »homosexuell« gebraucht. Er fragte sich, ob Fan von diesem Bedeutungswandel wußte. Wenn sich eine Wortbedeutung änderte, wie etwa beim Begriff »Durstkrankheit«, steckte dahinter immer auch ein Wertewandel.
    Die Tür wurde von roten Spruchbändern umrahmt, auf denen zu lesen war: »Frühstück, Mittagstisch und Abendessen – von immergleicher Qualität. Letztes Jahr, dieses Jahr, nächstes Jahr – gleichermaßen«. Beides krönte der Kommentar: »Die Wahrheit liegt in deinem Mund.«
    Chen überschlug rasch, daß das Taxigeld, das der Geschäftsführer des Nachtclubs ihm überlassen hatte, für ein Frühstück hier reichen müßte. Der Kellner empfahl die Hausspezialität: Weizenkuchen in Hammelbrühe. Die harten Fladen, mo genannt, waren typisch für Xi’an; sie wurden nach Belieben in große oder kleine Stücke gebrochen und mit der Brühe übergossen. Doch zunächst brachte ihnen der Kellner eine Kanne heißen Tee, gratis.
    »Genosse Fan, lassen Sie uns anstoßen, obwohl Tee dazu nicht das richtige Getränk ist, um meinen Respekt für Sie zum Ausdruck zu bringen.«
    »Niemand verbrennt grundlos seine Räucherstäbchen im Drei-Schätze-Tempel. Sie sind ein vielbeschäftigter Mann, Oberinspektor Chen. Ich glaube kaum, daß Sie hergekommen sind, um mit einem alten Rentner Tee zu trinken.«
    »Das stimmt. Ich habe ein paar Fragen an Sie. Das hiesige Nachbarschaftskomitee meinte, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen.«
    »Na dann! Bitte fragen Sie.«
    »Wir sind derzeit mit der Aufklärung eines Mordfalls beschäftigt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie nach einer gewissen Mei fragen, die früher hier gewohnt hat, in der

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