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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Popcorn-Verkäuferin an wie einen Eindringling, worauf diese sich eilends zurückzog.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Grüne Jade. »Kann ich noch ein Glas Saft haben?«
    Das Getränk wurde zusammen mit einer weiteren Obstplatte gebracht. Offenbar war das hier so üblich. Der Kellner hatte es nicht einmal für nötig befunden nachzufragen.
    Allmählich wurde er unruhig. Diese kleinen Beträge addierten sich, selbst wenn kein größerer Posten mehr dazukäme – etwa für »Wolken und Regen«, wie Grüne Jade ihm vorgeschlagen hatte. Sie schälte jetzt eine Tangerine für ihn.
    Er entschuldigte sich und trat auf der Suche nach den Toiletten auf den Gang hinaus. Hinter der verriegelten Klosettür zählte er erst einmal sein restliches Geld. Er besaß noch neunhundert Yuan. Das dürfte reichen für die Nacht. Aber er wollte nicht sofort zurück zu Grüner Jade. Er mußte klar denken, und das würde ihm in ihrer Gegenwart und beim ständigen Kommen und Gehen der Bedienungen kaum gelingen.
    Dann bemerkte er, daß ihm jemand ein heißes Gesichtstuch auf einem Teller unter der Tür durchschob – vermutlich die Toilettenfrau, dachte Chen angewidert. Er stieß die Tür auf, legte ein paar Münzen auf den Teller neben dem Waschbecken und ging.
    Als er wieder neben ihr auf dem Sofa saß, lehnte sich Grüne Jade an ihn und schob ihm mit schlanken Fingern frische Tangerinenschnitze in den Mund. Die Kerze in dem archaischen Leuchter flackerte unaufhörlich.
    »Wo werden Sie die Nacht verbringen?« erkundigte sie sich leise. »Es ist schon spät. Draußen friert es, die Straßen sind glatt. Bleiben Sie doch hier. Um diese Zeit ist niemand mehr unterwegs.«
    Es klang wie das Echo eines Song-Gedichts: das Rendezvous eines dekadenten Kaisers mit seiner zierlichen Kurtisane.
    Als er nicht reagierte, legte sie seine Hand auf ihren nackten, glatten Oberschenkel.
    »Tut mir leid, Grüne Jade, aber ich muß gehen«, sagte Chen. »Bitte stellen Sie mir die Rechnung aus. Es war ein schöner Abend. Ich danke Ihnen.«
    »Wie Sie meinen«, erwiderte sie. »Das Trinkgeld geben Sie mir besser jetzt gleich.«
    Nachdem er ihr dreihundert Yuan zugesteckt hatte, schickte sie einen der Kellner nach der Rechnung.
    Ein Blick darauf genügte, um ihn in Verlegenheit zu bringen. Ein Glas Fruchtsaft kostete an die hundert Yuan. Sie hatte zwei gehabt, dazu sein Tee für hundertzwanzig und zwei Obstplatten zu je zweihundertfünfzig. Auch die vier Teller mit Knabberzeug waren nicht umsonst, sondern schlugen mit je achtzig Yuan zu Buche. Dazu kamen zwanzig Prozent für den Service. Die Endsumme betrug eintausenddreihundert Yuan.
    Der reine Nepp. Aber er konnte schlecht protestieren, nicht als Polizeioberinspektor. Als solcher hätte er vielleicht sogar davonkommen können, ohne die Zeche zu bezahlen, doch was das an Klatschgeschichten nach sich zöge, würde ihn wesentlich teurer zu stehen kommen.
    »Stimmt etwas nicht?« fragte sie.
    »Es ist mir unendlich peinlich, Grüne Jade, aber ich habe nicht genug Bargeld bei mir.«
    »Hmm – wieviel haben Sie denn?«
    »Etwa neunhundert – nach Ihrem Trinkgeld noch sechshundert.«
    »Keine Sorge. Hier bringt Sie keiner um, wenn Sie wirklich nicht mehr dabeihaben«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Aber Sie müssen sagen, daß Sie mir nur hundert Yuan gegeben haben.«
    Das war vermutlich der Grund, warum sie vorab um ihr Trinkgeld gebeten hatte. Ein erfahrenes Mädchen, dachte Chen. In diesem Moment betrat ein stämmiger Mann den Raum.
    »Das ist Geschäftsführer Zhang«, stellte sie ihn vor.
    »Sie müssen entschuldigen, Geschäftsführer Zhang, ich bin heute das erste Mal hier und habe nicht genug Geld dabei«, erklärte Chen, während er seine gesamte Habe auf den Couchtisch legte.
    »Wieviel haben Sie?« fragte Zhang, ohne selbst nachzuzählen.
    »Ungefähr sechshundert«, erwiderte Chen. »Die restlichen siebenhundert bringe ich nächste Woche vorbei, das verspreche ich.«
    »Hat er dir ein Trinkgeld gegeben?« Zhang wandte sich stirnrunzelnd dem Mädchen zu.
    »Ja, hundert Yuan.« Dann sagte sie noch: »Er war nur gut zwei Stunden bei mir. Und zwischendurch mußte ich mich um Braunbär kümmern.«
    »Haben Sie eine Karte?« fragte Zhang.
    »Was für eine Karte?« Er würde hier keinesfalls eine Visitenkarte hinterlassen, egal, ob als Dichter oder als Polizist.
    »Kreditkarte.«
    »Nein, so etwas besitze ich nicht.«
    Zu Chens Verwunderung warf Zhang einen Blick auf die Scheine und nahm dann einen Zwanziger,

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