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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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bemerkte er. »Nein danke, jetzt nicht.«
    Er hatte keinen Appetit, obwohl die Farbkombination aus weißem Tofu und grünen Frühlingszwiebeln verlockend aussah. Er probierte einen Löffel, ohne den Geschmack wahrzunehmen, und holte sein Notizbuch heraus.
    Es war zu spät, um Yu zu Hause anzurufen, also wählte er dessen Mobilnummer. Niemand meldete sich.
    Auch bei seiner Mutter hatte er seit seiner Abreise nichts mehr von sich hören lassen. Sie ging normalerweise spät ins Bett.
    »Ich wußte, daß du anrufen würdest. Dein Partner Yu hat sich auch schon bei mir gemeldet«, sagte sie. »Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen, aber bitte paß auf dich auf. Für mich bist du immer noch der kleine Cao.«
    »Kleiner Cao« – das hatte schon lange niemand mehr zu ihm gesagt. Offenbar war auch sie am Vorabend des dongzhi -Fests in sentimentaler Stimmung.
    Plötzlich regte sich ein Gedanke in den Windungen seines Gehirns.
    »Ich werde versuchen, morgen so früh wie möglich vorbeizukommen, Mutter.«
    »Morgen abend ist dongzhi . Es wäre wunderbar, wenn du es schaffen könntest«, sagte sie abschließend und fügte dann noch hinzu: »Aber wenn’s nicht geht, macht es auch nichts.«
    Er trank seinen Tee aus und gab der Bedienung ein Zeichen, daß sie heißes Wasser nachfüllen sollte. Sie brachte auch gleich die Rechnung mit.
    »Könnte ich abkassieren, mein Herr? Es ist spät.«
    Er schob ihr zweihundertfünfzig Yuan hin. »Stimmt so.«
    Eigentlich waren Trinkgelder im sozialistischen China nicht üblich, doch dieses Restaurant gehörte einem »Kapitalisten«.
    Er legte sich einen Plan für den morgigen Tag zurecht. Ihm blieb nur noch dieser eine, und er mußte ihn, gegen alle Widerstände, nach Kräften nutzen.
    Als er wieder aufblickte, sah er die Bedienung die Tische abräumen. Er war der letzte Gast. Vermutlich hatte sie ihn nur wegen des Trinkgelds noch nicht zum Gehen aufgefordert.
    Der Refrain eines Gedichts, das er vor langer Zeit gelesen hatte, kam ihm in den Sinn. Beeile dich, bitte. Es ist Zeit.
    Er stand auf, die meisten Gerichte hatte er nicht angerührt.
    »Gute Nacht, mein Herr«, verabschiedete ihn eine andere Empfangsdame leicht fröstelnd am Ausgang.
    »Gute Nacht.«
     
    Erneut zögerte er bei dem Gedanken, in seine Wohnung zurückzukehren.
    Er mußte in aller Frühe wieder hiersein, und wenn er den Weg zweimal machte, bliebe ihm ohnehin nicht viel Zeit zum Schlafen. Auch war er keineswegs sicher, ob er um fünf Uhr morgens ein Taxi fände, um zu einem Treffen zu fahren, das er keinesfalls verpassen durfte.
    Vielleicht gab es hier in der Gegend ein Nachtcafé, in dem er die Zeit bis zum Beginn des Bauernmarkts verbringen konnte.
    Hinter den Neonlichtern tat sich ein metallischblauer Nachthimmel auf. Er wollte sich eben eine Zigarette anstecken, als eine Frau aus dem Schatten des Restaurants auf ihn zutrat.
    »Ich bin Hausdame im Hengshan-Nachtclub«, sagte sie mit deutlichem Beijinger Akzent. »Kommen Sie mit, mein Herr. Dort warten Hunderte von Mädchen auf Sie. Die Zimmergebühr beträgt nur vierhundert Yuan. Kein Verzehrzwang.«
    Das Angebot verwirrte ihn, er fühlte sich in eine Filmszene aus dem ehemaligen Shanghaier Rotlichtbezirk versetzt. Eine solche Offerte hätte er heutzutage nicht erwartet.
    Einem Impuls folgend, lehnte er nicht sofort ab.
    Der inzwischen übliche Dreispartenservice war ihm hinlänglich bekannt; er hatte ihn in Begleitung seiner zahlungskräftigen Geschäftsfreunde jedoch nie vollständig ausgekostet. Selbst in Gesellschaft von Leuten wie Gu fühlte er sich als Polizist.
    Doch heute abend war das anders. Auch jetzt würde er den Service nicht auskosten, aber ein paar Insiderinformationen über das Gewerbe wären hilfreich für die Ermittlungen.
    Außerdem könnte er den Rest der Nacht im Warmen verbringen, in der angenehmen Gesellschaft eines jungen Mädchens, anstatt wie ein Obdachloser hier herumzustreifen.
    »Bitte, Großer Bruder«, wandte sie sich mit flehentlichem Lächeln an ihn. »Sie sind ein Mann von Rang, jemanden wie Sie würde ich niemals hinters Licht führen.«
    Sein Rang bestand vermutlich darin, daß er aus dem Alten Herrenhaus gekommen war, einem der extravagantesten Lokale der Stadt. Dennoch hatte er, wie ihm jetzt bewußt wurde, nur noch etwa tausend Yuan in seiner Geldbörse, Wechselgeld nicht mitgezählt. Aber für eine Nacht im Club dürfte das reichen.
    »Sie brauchen auch nicht zu singen, wenn Sie nicht möchten. Unsere Mädchen sind

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