Blutbahn - Palzkis sechster Fall
anerkennende Schnute.
»Das ist mehr, als ich euch zugetraut hätte. Den Dreizack habt ihr auch entdeckt?«
»Welchen Dreizack?«, fragte ich
überrascht, worüber sich Säule heftig amüsierte.
Der Arzt, der sich gerade verabschieden
wollte, sagte: »Ein bisschen mehr Pietät wäre in so einer Situation angebracht,
meine Herren. Wenn ich auf diese Art und Weise unheilbaren Patienten ihre Diagnose
überbringen würde …«
Säule versuchte, zu beschwichtigen.
»Kommen Sie, ein paar Häuser weiter
ist ein Café, ich lade Sie ein. Dann stehen wir der Spurensicherung nicht im Weg
herum.«
Jutta und ich fanden diesen Vorschlag
akzeptabel. Wenige Minuten später saßen wir im Café ›to go‹. So stand es groß auf
der Scheibe. Von afrikanischem Flair war allerdings nichts zu spüren.
Ich bestellte eine Cola und ein
paar süße Teilchen. Säule, der den Schifferstadter Buffetvorrat längst vertilgt
hatte, machte es mir nach. Nur Jutta beschränkte sich auf einen schwarzen Kaffee.
Wir berichteten Jutta über unsere
bisherigen Recherchen und Funde. Dabei blätterte ich ziemlich lustlos in dem Fotoalbum,
das ich immer noch bei mir hatte.
»Das ist in der Tat sehr ungewöhnlich«,
meinte Jutta am Schluss zusammenfassend. »Woher sollte der Täter wissen, dass die
Dame in Wirklichkeit Teufelsreute hieß? Zumal es nicht einmal die Nachbarn wussten.«
»Verdammte Axt noch mal, das ist
es!«
Nicht nur Säule und Jutta starrten
mich an. Ich hatte diese Bemerkung so laut von mir gegeben, dass sämtliche Gäste
und die Bedienung des Cafés zu mir blickten. Einige schüttelten pikiert den Kopf
über meine offensichtlich defizitären Ausdrucksformen.
»Was ist mir dir los, Reiner? Hat
dich meine Erkenntnis so sehr getroffen?«
»Was? Wie bitte? Nein, Jutta, es
hat nichts mit dir zu tun. Ich habe gerade das fehlende Puzzelteil gefunden.«
Die beiden rückten neugierig näher
an mich ran.
»Echt? Dann leg mal los!«
»Wir müssen zurück in die Wohnung,
trinkt aus.«
»Warum so eilig, Herr Kollege?«
Ich schob ihm das aufgeklappte Fotoalbum
rüber.
Säule und Jutta, die neben ihm saßen,
beugten sich über das Foto.
»Ja, und? Das ist eine Aufnahme
des Wohnzimmers mit Couch, Schrank und so weiter. Was soll daran ungewöhnlich sein?«
»Seht ihr das nicht? Das Bild! Auf
dem Foto hängt ein Gemälde an der Wand, das jetzt nicht mehr da ist. Das ist das
fehlende Mordmotiv.«
»Kann es sein, dass die Fantasie
mit dir durchgeht, Reiner? Wer weiß, wie alt das Foto ist. Bestimmt hat sie irgendwann
einmal umdekoriert.«
Jutta reichte mir das Album zurück.
»Ich kenne das Gemälde, es ist –,
was ist das?«
Aus den hinteren Seiten des Albums
fiel ein gefalteter Brief heraus. Ich öffnete ihn und begann zu lesen. Mein Unterkiefer
begann immer tiefer zu fallen. Jetzt hatte ich nicht nur das Motiv, sondern auch
den Täter.
»Hätten Sie die Freundlichkeit,
den Brief laut vorzulesen?« Säule klang leicht ärgerlich, was aber an seiner Neugierde
lag.
»Ja, ja, natürlich«, entschuldigte
ich mich sofort. »Haltet euch gut fest. Der Brief ist unvollendet geblieben und
trägt das Datum von vorgestern.«
›Lieber Pit,
ich habe mir in den letzten Monaten
viele Gedanken über uns beide gemacht. Ich bin dir natürlich zu Dank verpflichtet.
Immerhin scheinst du der einzige Verwandte zu sein, den ich noch habe. Seit du mich
gefunden hast, lebe ich nicht mehr so einsam. Ich habe mir Gedanken über unsere
Zukunft gemacht. Seit dem Tod meines Mannes lebe ich alleine mit den ganzen Kunstwerken.
Alles ist von hohem Wert und trotzdem für mich wertlos geworden. Ja, Pit, auf meine
alten Tage bin ich ein bisschen philosophisch geworden. Daher werde ich, wie ich
dir neulich am Telefon sagte, zwei Drittel meines Vermögens an die Kulturämter in
Kiel vermachen. Den Rest, der alles andere als unbedeutend ist, erhältst du. Du
weißt ja, wo du alles findest. Pass auf, dass‹
Jutta und Säule schauten mich nach
dem abrupten Ende fragend an.
»Tut mir leid, hier endet der Brief.«
»Dann hätten wir den Fall hiermit
aufgeklärt«, sagte Jutta. »Pit Teufelsreute hatte Angst um das komplette Erbe und
tötete deswegen die Erblasserin. Manchmal ist es doch zu einfach.«
»Ja, aber die anderen Morde?«, erwiderte
Säule.
»Alles Ablenkungsmanöver«, erklärte
ich. »Die toten Teufelsreutes sollten von dem eigentlichen Motiv ablenken. Besonders
perfide ist, dass Pit sich sogar selbst verletzt hat, um als Opfer angesehen
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