Blutbeichte
fragte Joe.
»Zum Beispiel, wenn sie sich mit dem Skalpell in den Finger schneiden. Aber das war in dem Fall bestimmt nicht die richtige Erklärung – es war viel zu viel Blut. Als ich das schwarze Oberteil auf Mr Trahornes Schreibtisch lege, explodiert er fast vor Wut, packt mich am Kragen und bringt mich zurück auf ›meinen Posten‹, wie er es nennt. Dann wirft er alles auf das Tablett und schiebt es in den Schmelzofen. Anschließend starrt er mich an und sagt: ›Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie die Sachen hier sortieren oder Ihre Arbeit unterbrechen, um mich zu belästigen.‹ Ich erwidere: ›Könnte doch sein, dass jemand sich verletzt hat.‹ Trahorne schaut mich an, als wäre ich irgendein hergelaufener Trottel und als könne er nicht glauben, dass mich so etwas interessiert. Tja, und als ich dann eine Woche später zur Arbeit komme, wirft er mich raus.« Curtis zuckte mit den Schultern. »Aber ich finde schon ’ne neue Stelle. Ich wollte mich nur korrekt verhalten, wissen Sie.«
»Mr Trahorne behauptet, Sie hätten ihn bestohlen.«
Curtis hob den Blick. »Ja, hab ich, ich geb’s zu. Ein kleines Platinplättchen. Einmal.«
»Und er hat gesagt, Sie wären wütend auf ihn, weil er Sie gefeuert hat.«
»Das stimmt. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich lüge.«
»Okay«, sagte Joe.
»Außerdem hab ich nichts gegen dieses Valtry-Labor. Ich kenne den Laden ja gar nicht. Warum sollte ich da Blödsinn erzählen und Sie anscheißen?«
»Wir behaupten ja nicht, dass Sie dieses Labor in Schwierigkeiten bringen wollen«, sagte Danny.
Curtis hob langsam den Kopf und starrte ihn an. »Ich habe ›anscheißen‹ gesagt. Hören Sie schlecht?«
Joe kam um halb neun nach Hause. Als er vor dem Badezimmerspiegel stand, rieb er über seine Bartstoppeln. Er nahm die Klinge aus dem Rasierer, um sie in den Abfalleimer zu werfen, doch sie fiel auf den Boden und blieb neben einem zerknüllten Stück Papier liegen. Joe beugte sich hinunter, um es aufzuheben, und entdeckte eine Quittung aus der Drogerie, auf der zwei Artikel aufgeführt waren. Bei dem ersten handelte es sich um Taras Selbstbräunungsspray, SplashBronze. Als Joes Blick auf den zweiten Artikel fiel, verkrampfte sich sein Magen. Es war ein Schwangerschaftstest.
Joe wühlte mit der Hand im Abfall und fand, was er suchte. Die Tests hatten sich im Vergleich zu früheren Zeiten verändert; sie waren jetzt mit einer Digitalanzeige versehen. Keine Symbole, die man mit dem Beipackzettel vergleichen musste. Keine Ratespiele. Auf diesem stand eindeutig: SCHWANGER.
Joe schaute auf das Datum der Quittung. Sie war eine Woche alt. Er legte seinen Rasierapparat aus der Hand und ging zu Shaun auf dessen Zimmer.
»Junge, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden«, begann er und setzte sich auf Shauns Bett. Shaun drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl zu ihm um.
»Ja?«
»Ich hoffe, du und Tara … du weißt schon … hm, ihr schützt euch.«
»Willst du damit sagen, wir sollen beim Sex aufpassen?«, sagte Shaun und wandte den Blick ab.
»Ja. Ihr müsst vorsichtig sein.«
»Wie kommst du darauf, dass ich nicht vorsichtig bin?«
»Nichts. Ich dachte nur …«
»Haben wir darüber nicht schon vor ein paar Jahren gesprochen?«
»Nach allem, was passiert ist … Ich wollte nur sicherstellen, dass du weiterhin vernünftig bist.«
»Ich bin vernünftig.«
»Gut. Denn wenn du Sex mit Tara hast, dann …«
»Hab ich nicht«, fiel Shaun ihm ins Wort.
»Was?«
»Wir haben keinen Sex. Es fällt mir schwer, jemandem körperlich nahe zu sein.«
»Oh. Ich dachte …« Joe verstummte.
Shaun starrte auf den Boden. »Es gab kein erstes Mal mit Katie. Ich meine … du weißt ja, damals ist nichts passiert.«
»Du bist jung, gerade mal achtzehn«, sagte Joe. »Und du hast Schreckliches hinter dir und musst es erst noch verarbeiten. Aber die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden.«
Shaun schüttelte den Kopf. »Ich kann Katie nicht vergessen. Egal was ich tue, immer muss ich daran denken, wie ich mich in dieser schrecklichen Nacht gefühlt habe. Ich habe immer wieder denselben Traum. Ich treffe Katie auf der Straße oder in einem Café oder irgendwo sonst, und jedes Mal ist sie mit einem Typen zusammen … und da ist dieser Hass, der von ihr ausgeht. Ich versuche, freundlich zu sein … versuche, die Hand nach ihr auszustrecken, doch jedes Mal verschwindet sie im Nebel, und ich schaffe es nicht, sie zu berühren. Und ihr Gesicht ist immer völlig
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