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Blutbeichte

Blutbeichte

Titel: Blutbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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ausdruckslos … so kalt und starr. O Gott. Ob sie mich gehasst hat, als sie starb?«
    »Nein. Sie hat dich geliebt. Das weißt du. Ihr hattet in jener Nacht Streit, weil Katie dich so sehr geliebt hat. Wäre das Schreckliche nicht passiert, hättet ihr euch am nächsten Tag wieder vertragen. Es sind die schlimmen Erinnerungen, die dich plagen.«
    »Katie wäre nicht alleine nach Hause gegangen, wenn wir uns nicht gestritten hätten.«
    »Hör auf«, sagte Joe streng. »Wenn du es dir immer wieder vor Augen führst, wird es auch nicht besser. Du hattest keinen Einfluss auf das, was passiert ist. Wir wissen nie, was auf uns zukommt.«
    Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend da. Dann beschloss Joe, das Thema zur Sprache zu bringen, das ihm am Herzen lag. Flüchtig fragte er sich, was Tara für ein Spiel spielte.
    »Sag mal, Shaun, trifft sie sich auch mit anderen Jungen?«
    »Du meine Güte, Dad. Es ist schlimm genug, dass du mich ausfragst, aber ich werde mit dir bestimmt nicht über Taras Sexualleben diskutieren … besser gesagt, ihr nicht vorhandenes Sexualleben, dank deiner Sensibilität.«
    »Was für eine Beziehung habt ihr genau?«
    »Jetzt hörst du dich wirklich bescheuert an.«
    Anna klopfte an die Tür und kam ins Zimmer. Sie trug ein neues Kleid. »Na, was meint ihr?«, fragte sie und drehte sich im Kreis.
    »Cool«, sagte Shaun.
    »Du gehst morgen Abend weg, Shaun, nicht wahr?«, sagte Anna. »Und ich werde für deinen Vater und mich etwas Tolles kochen.«
    »Du siehst umwerfend aus«, sagte Joe. Anna bemerkte, dass er auf ihre Brüste starrte.
    »Danke. Und danke an Tara«, fügte sie hinzu, an Shaun gewandt. »Ich habe mir SplashBronze gekauft.«

18
    Joe betrachtete sich in dem marmorierten Spiegel im kühlen Untergeschoss von Augie’s an der Ecke Vierunddreißigste und Neunte. Er trug dasselbe hellgraue Hemd und die anthrazitfarbene Krawatte, die er schon an diesem Morgen zur Arbeit getragen hatte, nun jedoch mit einem Smoking, den Anna ihm vor zwei Jahren in Paris gekauft hatte. Old Nic hatte Augie Penrose in den Siebzigern entdeckt. Augie gehörte zu den besten Schneidern New Yorks. Seit vierzig Jahren war sein Untergeschoss nur für eine kleine Gruppe treuer Kunden geöffnet. Joe, Danny, Old Nic und Bobby, sogar Giulio Lucchesi – sie alle ließen ihre Anzüge bei Augie ändern oder schneidern.
    »Schicker Smoking.« Augie schien sichtlich beeindruckt. »Sehr schön.«
    Joe nickte. »Meine Frau …«
    »Ich habe an dem Label gesehen, dass der Smoking nicht von hier ist«, sagte Augie. »Haben Ihre Kollegen dumme Bemerkungen gemacht, weil Sie einen europäischen Anzug tragen?«
    »Der pure Neid, Augie«, meinte Joe und zupfte an den Ärmeln des Jacketts.
    Augie lachte und zog am lockeren Hosenbund. »Sie haben abgenommen.«
    »Ich treibe wieder Sport«, erklärte Joe. »Nicht mehr lange, und ich habe meine alte Figur wieder.«
    »Das beobachte ich bei Männern Ihres Alters immer wieder.«
    Joe lachte. »Ach ja?«
    »Sie sind ein gut aussehender Mann, Joe, aber erzählen Sie mir nicht, Ihnen wären Ihre grauen Haare gleichgültig oder die Fältchen um die Augen. Sie fragen sich doch auch, welche Wirkung Sie noch auf Frauen haben, oder?«
    Joe schaute auf Augie hinunter, den siebenundsechzigjährigen Schneider mit den knöchernen, behaarten Armen und dem bleichen kahlen Schädel. Rasch drehte er die Zeit fünfundzwanzig Jahre vor und blickte dann noch einmal in den Spiegel, um sich zu beruhigen.
    »Nun, in diesen Sachen muss ich mir um meine Wirkung auf Frauen keine Sorgen machen, Augie.«
    Augie nahm ein paar Stecknadeln vom Lederkissen an seiner Hüfte und steckte den Hosenbund ab. »Soll ich ein bisschen Platz für Donuts lassen?«
    Joe blickte immer noch in den Spiegel. »Nein. Machen Sie es so, dass mein Ehrgeiz nicht erlahmt.«
    Ehrgeiz, überlegte er. Als Shaun geboren wurde, war er dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und voller Energie, die er fast ausschließlich in den Beruf investiert hatte. Wenn das Baby zur Welt kam, war er fast zweiundvierzig – und er hatte einen erschöpften Mann vor Augen, der für nichts mehr Energie besaß. Er versuchte sich vorzustellen, wie er mit einem Kinderwagen durch den Owl’s Head Park spazierte, doch es gelang ihm nicht. Als Schuldgefühle und Angst in ihm aufstiegen, verkrampfte sich sein Magen.
    Augie, der vor Joes Hosensaum kniete, erhob sich.
    »Ich habe keine Nadeln mehr«, sagte er. »Kleinen Moment, bitte.« Der ältere Mann verschwand in

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