Blutbraut
huschte ein Lächeln um seine Lippen. Verkrampft; beinah … gequält. Umso mehr zuckte ich zusammen und drückte mich in meinen Sitz, als er sich unvermittelt zu mir herüberbeugte, das Handschuhfach öffnete und etwas herausnahm. Sein Ellbogen streifte mein Knie, als er sich wieder aufrichtete. Dann sah ich, was er mir entgegenhielt, und erstarrte endgültig: einen Dolch. In einer dunklen Lederscheide. Mit dem Griff in meine Richtung. »Nur um sicherzugehen, dass sich so etwas wie letzte Nacht nicht wiederholt: Damit kannst du dir mich vom Leib halten.«
Eine Sekunde blieb mir die Luft weg. Ich schluckte, starrte darauf. Ein schmaler Lederstreifen, der sich von hinten schräg über den Handschutz nach vorne spannte und von einem silbrigen Druckknopf gehalten wurde, sollte wohl verhindern, dass der Dolch unabsichtlich aus der Scheide rutschte. Ich schüttelte den Kopf. Das ist nicht sein Ernst! Es war helllichter Tag! »Das ist nicht …«
»Nimm ihn!« Sein Ton war hart und scharf, duldete keinen Widerspruch.
Meine Hand bebte, als ich nach einem Zögern schließlich gehorchte. Er ließ den Verschlussknopf mit dem Daumennagel in genau dem Moment aufspringen, als sich meine Finger um den Griff schlossen und ich ihm den Dolch widerstrebend abnahm, sodass die Scheide in seiner Hand zurückblieb, während ich die Klinge blank in meiner hatte. Ich hielt den Atem
an, wusste nicht, was ich tun sollte. Sie war verwirrend leicht, auf beiden Seiten geschliffen. Und vermutlich rasiermesserscharf. Die Spitze und die Schneiden waren anscheinend noch einmal zusätzlich mit irgendeinem silbrig glänzenden Metall überzogen. Das mulmige Gefühl in meinem Magen verstärkte sich.
»Was ist das?« Ich wagte es nicht, die Stellen mit dem Überzug zu berühren.
»Eisen. Gift für jeden von uns, egal ob er ein Hexer des Ordre ist oder der Hermandad; ganz zu schweigen von den Nosferatu. Ziel auf den Körper, notfalls noch auf die größeren Gliedmaßen. Zieh ihn nur raus, wenn du sicher bist, dass du noch einmal zustoßen kannst. Und auch triffst. Ansonsten lass ihn in der Wunde stecken. Dann wirkt das Eisen besser und vor allem schneller.« Er sagte das vollkommen kalt.
Schaudernd hob ich die Schultern. »Ich will das nicht.«
»Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber ob du es willst oder nicht, interessiert mich gerade absolut nicht. Wenn du ihn nicht benutzen musst: sehr gut. Wenn doch: Tu es! Und vor allem: Denk erst später darüber nach.« Damit warf er mir die Scheide in den Schoß, öffnete abrupt die Tür und stieg aus. Er hatte sie noch nicht wieder richtig geschlossen, als er die Hand schon in die Hosentasche schob.
Ich brauchte einen Moment, bis ich es mit meinen immer noch bebenden Händen geschafft hatte, den Dolch in seine Hülle zurückzustecken, dann kletterte ich ebenfalls aus dem Wagen. Auch wenn er mir den Rücken zugewandt hatte: Ich hatte trotzdem gesehen, dass er wieder eine – oder mehrere? – dieser Tabletten geschluckt hatte. Wie viele waren das heute wohl schon?
Erst nachdem er das Tablettenfläschchen in die Tasche seiner Jeans zurückgeschoben hatte, drehte er sich wieder zu mir um.
Ich hob den Dolch, damit er ihn über die Motorhaube des Geländewagens sehen konnte. »Ich will das nicht«, wiederholte ich. Diesmal deutlich entschiedener als zuvor.
»Und ich will kein Risiko eingehen. Nicht nach letzter Nacht. Nicht bei dir. Punkt. Ende der Diskussion.« Wären seine Worte und sein Tonfall nicht schon eindeutig gewesen, der Blick, mit dem er mich maß, war es. Ich biss die Zähne zusammen. Ganz ruhig, Lucinda. Heute keinen Streit. Auch wenn er darauf bestand, dass ich diesen Dolch behielt, ob ich ihn benutzte, war immer noch meine Sache. – Auch wenn ich nicht verstand, warum mir der Gedanke so sehr widerstrebte. Bei Rafael hatte ich in Boston doch auch keinerlei Skrupel gehabt.
Ich holte Luft, stieß sie wieder aus. »Okay. Wie du meinst.« Betont aufmerksam ließ ich den Blick über die Ruinen wandern. »Dann können wir ja mit der Führung beginnen.«
Die Art, wie er eine Braue hob und mich dabei ansah, verriet mehr als deutlich, dass er mein Manöver durchschaut hatte. Und was er davon hielt.
Im letzten Moment widerstand ich dem Drang, eine Grimasse zu schneiden und ihm die Zunge herauszustrecken. Stattdessen stieß ich mich vom Kotflügel des Wagens ab, schob den Dolch unter den Hosenbund in meinem Rücken und wandte mich der Kirche zu.
»Hier hätte man ganz wunderbar ›Zorro‹
Weitere Kostenlose Bücher