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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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dem, was Cris mir gekauft hatte.
Das war ich nicht. Alles in allem nur zwei Reisetaschen. Immerhin musste ich das Ganze auch noch tragen können. Allein.
    Außer einer Tasse Kaffee und einem Toast mit Marmelade gönnte Joaquín mir kein Frühstück, teilte mir stattdessen mit, wir würden unterwegs brunchen. Anscheinend wollte er die ganze Sache möglichst schnell hinter sich bringen.
    In der Haustür zögerte ich. Überlegte einen Moment sogar tatsächlich, ob ich das ganze Haus wach schreien, Cris und Rafael auf den Plan rufen sollte, ihnen die Chance verschaffen sollte, mich hierzubehalten. Ich tat es nicht. Joaquín gab mir genau das, was ich gewollt hatte: Er ließ mich gehen.
    Niemand außer Rosa bekam mit, dass ich Santa Reyada verließ. Für immer. Und ich hatte das Gefühl, wenn Geister weinen konnten, dann tat sie es.
    Es regnete immer noch. Und trotzdem fuhr er mich nach Los Angeles.
    Die Straße war frei. Weitestgehend zumindest, sah man von der ein oder anderen Pfütze ab, die sich über die gesamte Breite der Fahrbahn erstreckte. Keine davon tief genug, um selbst für einen Sportwagen wie den Lamborghini gefährlich werden zu können. Der Boden zu beiden Seiten allerdings hatte sich unter dem Regen in Schlamm verwandelt. An manchen Stellen glänzten auch mehr oder weniger große Regen-Seen und für einen kurzen Moment fragte ich mich, wie Meteorologen dieses Wetter wohl erklärten: dass es nur innerhalb der Grenzen von Santa Reyada und dem de-Alvaro-Besitz regnete, während der Boden ein paar Meilen weiter nach wie vor verdorrte und die Sonne die Luft darüber wie immer vor Hitze zum Flimmern brachte.
    Wir sprachen auf der Fahrt nicht viel miteinander. Genau genommen
gar nicht. Joaquín starrte auf die Straße vor uns. Nur manchmal glitt sein Blick zu mir, für eine Sekunde, bevor er wieder geradeaus sah. Dann schlossen seine Hände sich einen kurzen Moment fester um das Lenkrad – nur um sich gleich wieder zu lösen.
    Wie angekündigt ging er mit mir brunchen. In einem kleinen Diner, in dem die Bedienung die ersten grauen Strähnen im Dutt hatte und uns so mütterlich bediente, als würden wir zur Familie gehören. Und noch immer redeten wir nicht miteinander. Ich hielt mich an meinem Kaffee fest und knabberte an einem Bagel, betrachtete die Menschen um uns herum, um nicht ihn anzusehen, während Joaquín mehr oder weniger die ganze Zeit aus dem Fenster starrte. Gedankenverloren. Und wachsam zugleich.
    Und jetzt waren wir endgültig auf dem Weg zum Flughafen. Zumindest hatte ich das bis eben angenommen.
    »Das ist nicht der Weg zum Flughafen.«
    »Nein. Ich muss noch etwas erledigen.« Joaquín sah nicht zu mir her, warf stattdessen einen schnellen Blick in den Seitenspiegel und über die Schulter und wechselte die Spur. Ich hatte keine Ahnung, wo der Flughafen von Los Angeles genau lag. Aber mit jeder Meile schienen wir uns mehr von ihm zu entfernen. Zumindest wurden die Flugzeuge, die alle paar Minuten über uns hinwegflogen, eher kleiner als größer.
    »Was wirst du jetzt machen?« Nach wie vor schaute er mich nicht an. Nur seine Hände hatten sich wie so oft während der Fahrt fester um das Lenkrad gelegt.
    Ich hob die Schultern. »Mir irgendwo eine Wohnung und einen Job suchen; neu anfangen. – Ich bin gut darin. Irgendwo neu anzufangen, meine ich. Genug Übung hab ich ja.«

    Hatte er die Finger gerade eben noch fester um den Lenkradbogen geschlossen? »Aha.«
    Aha ? Das war alles? Er fragte nicht, wo ich hinwollte; ob ich genug Geld für einen neuen Anfang hatte, zumindest, um die Zeit zu überbrücken, bis ich einen Job hatte und meinen ersten Lohn bekam; ob ich vielleicht doch irgendwann zurückkommen würde; ob er mich anrufen durfte? Ich biss mir auf die Lippe, sah aus dem Fenster, kniff die Augen gegen die Sonne zusammen. Draußen huschten die Palmen vorbei, die am Bürgersteig entlang gepflanzt waren. Er ließ mich einfach gehen und brach sämtliche Brücken zwischen uns ab; nein, versuchte nicht einmal eine aufzubauen. Dabei brauchte er mich doch eigentlich. – Eigentlich. Oder hatte er sich damit abgefunden, Nosferatu zu werden? Lockte ihn jetzt vielleicht doch die Macht, die man den ›endgültigen‹ Nosferatu ja anscheinend nachsagte? Ich zwang mich, den Blick weiter aus dem Fenster zu richten. Nein, ich würde nicht fragen.
    Das irgendwie mulmige Gefühl, das sich in meinem Magen festgesetzt hatte, verstärkte sich noch, als er kurz darauf in die Einfahrt eines Parkhauses einbog

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