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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ich die Farbnuancen nicht mehr richtig unterscheiden. Inzwischen besteht meine Welt nur noch aus Grauschattierungen.«
    Das erklärte die Veränderungen in seinen Bildern. »Das tut mir leid.«
    Ein leises Lachen, zusammen mit einem Kopfschütteln. »Und schon wieder hast du Mitleid mit mir, mi luz.« Von einer Sekunde zur nächsten war seine Heiterkeit vergangen. »Es muss dir nicht leidtun. Nicht mehr lange und …« Mit einer abrupten Bewegung unterbrach er sich selbst. »Vergiss es. Wir sollten sehen, dass wir das hier zu Ende bringen, bevor die Sonne untergeht. « Er wies auf die Beutel. »Nachdem das bisher niemand außer Rafael – und jetzt auch dir – wusste, hat Jean-Marc die
Farben nicht beschriftet. Aber ich kann es mir nicht leisten, zu raten, was was ist. Also muss es mir jemand sagen.«
    »Okay.« Ich nickte, rieb die Handflächen an meinen Jeans. Als ich nach dem ersten Beutel greifen wollte, hielt er mich mit einer kurzen Geste davon ab.
    »Ich muss wissen, welche Farbe sie in gelöstem Zustand haben. Alles andere bringt mir nichts. – Warte!«
    Gehorsam ließ ich die Hand wieder sinken. Sah zu, wie er mit schnellen Schritten zur Tür seines Laboratoriums ging, darin verschwand. Gleich darauf kam er mit mehreren Reagenzgläsern in einem hölzernen Gestell, einem Becherglas mit Wasser und einer Pipette zurück.
    Er öffnete den ersten Beutel, benutzte die Spitze eines Palettenmessers als ›Löffel‹, klopfte zwei oder drei Gramm des Pulvers in eines der Reagenzgläser und träufelte etwas Wasser dazu, schüttelte das Ganze vorsichtig, bis die Farbe sich aufgelöst hatte. Er gab mir das Reagenzglas, damit ich es mir besser ansehen konnte.
    »Und?«
    »Braun.
    »Das reicht mir nicht.«
    »Wie Schokolade.«
    »Dunkle oder helle.
    »Dunkel.« Wie seine Augen früher. Ich hielt das Reagenzglas noch einmal ins Licht. »Oder nein. Eher wie Kastanien.«
    »Entscheide dich.«
    »Kastanien.«
    Er hatte den Beutel schon wieder verschlossen, schrieb jetzt vorsichtig etwas mit Edding darauf. Dann nahm er mir das Reagenzglas wieder ab, präparierte das nächste und gab es mir, als die Farbe sich vollständig aufgelöst hatte.

    »Und das?«
    Ich musste nicht lange überlegen. »Roher Lachs. Von innen. Kräftig leuchtendes Rotorange.«
    Wieder notierte er etwas auf dem Beutel.
    Das nächste Reagenzglas.
    »Das?«
    »Gelb. Sehr hell. Fast ein bisschen grell.«
    »Das kann vieles sein. Genauer, Luz.«
    »Du hast da dieses gelbe Pulver. Drüben im Laboratorium.«
    »Schwefel?«
    »Wenn das so heißt.«
    Er verdrehte die Augen. »Geh und hol es!«
    Ja, Massa! Ich verbiss mir den Kommentar. Als ich zurückkam, wartete schon das nächste Reagenzglas auf mich.
    »Sí, Schwefel. – Und das?«
    »Dunkelgrün. Wie Moos.«
    »Moosgrün?«
    »Ja. Nein, warte mal. In dem Beutel da ist noch ein Grün. Zeig mir das auch noch.« Er löste ein bisschen von dem zweiten Grün auf, gab es mir ebenfalls, damit ich sie nebeneinanderhalten konnte.
    »Das zweite ist noch mehr wie Moos. Das erste ist etwas heller, geht eher in Richtung … wie dieser grüne Edelstein …«
    »Smaragd?«
    »Genau.«
    Wieder machte er sich Notizen auf den Beuteln.
    Das nächste Reagenzglas.
    »Rot.«
    »Das brauche ich schon ein bisschen genauer. Wie sieht es aus? Ist es hell, dunkel? Woran erinnert es dich?«

    »Blut.« Ich schauderte. »Frisches Blut.« Irrte ich mich oder nahm er mir dieses Reagenzglas schneller ab als die anderen zuvor? Der Inhalt des nächsten war blau.
    »Hellblau.«
    »Luz …«
    »Wie der Himmel hier, wenn keine Wolke zu sehen ist.«
    »Lichtblau.«
    Ich nickte. »Ja, passt.«
    Das letzte Reagenzglas.
    »Und das hier?«
    »Auch blau. Dunkel.«
    »Genauer, Luz.«
    Ich schnaubte. »Dunkelblau, nicht ganz. Leuchtend.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Ja, ich weiß, genauer.« Frustriert schüttelte ich den Kopf. »Mir fällt aber nichts ein, mit dem ich es vergleichen kann. – Warte!« Diese Farbe hatte ich auf meinem blauen Lieblingsbild gesehen. Vielleicht hatte er ja noch irgendwo einen Rest. »Wo sind die Farben, mit denen du deine Bilder gemalt hast?«
    »Da drüben …« Er wies auf ein Schubladenkästchen, das auf dem nächsten Arbeitstisch stand.
    Ich drängte mich an ihm vorbei, begann die Schubladen eine nach der anderen herauszuziehen und zu durchsuchen. Tube um Tube auf – und wieder zuzuschrauben. Schon bei der siebten wurde ich fündig. »Hier!« Die Farbtube triumphierend in der Hand, drehte ich mich um.

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