Blutbraut
schließlich wieder Rafael zuwandte. »Bring Lucinda zu Fernán. Ihre Verletzungen müssen versorgt werden. Du lässt sie nicht aus den Augen.« Er sah zu mir. »Abgesehen von denen beim alten Stadthaus will ich jeden deiner Männer in San Isandro haben.
Außerdem kannst du Paco und Hectore schöne Grüße von mir bestellen: Bis sie etwas anderes von mir hören, stehen sie unter deinem Kommando.« Erst jetzt blickte er zu Jorge. »Die Bannkreise und Wardings sollten das Schlimmste abfangen können, wenn der Alte heute Nacht noch seine Wut an San Isandro auslassen will, aber ich werde kein Risiko eingehen.«
Jorge nickte, schaute dann Lope an, der ebenfalls nickte.
»Der Alte?« Rafael schien ebenso wenige Probleme mit Joaquíns plötzlichem Kommandoton zu haben wie Jorge und der Rest.
Joaquín schüttelte den Kopf. »Später. Wichtig ist nur: Mein Großvater ist noch am Leben und hat die Seiten gewechselt.«
Bestürztes Murmeln um mich herum. Offenbar brauchte es nicht mehr, damit den Männern klar war, was das bedeutete.
Rafael stieß einen leisen Pfiff aus. »Mann, werden wir › später‹ beschäftigt sein. – Und du?«
Ich konnte sehen, wie Joaquín für einen Moment die Kiefer aufeinanderpresste. Seine Oberlippe zuckte, als würde er jede Sekunde ein weiteres Mal die Zähne fletschen. »Ich habe nicht vor, den Alten einfach so davonkommen zu lassen. Aber ich bin nicht sicher, ob ich allein mit ihm und seiner Brut fertigwerde. «
»Du berufst das Konsortium ein?«
»Sí. So schnell ich kann.« Seinem Tonfall nach tat er es alles andere als gern. »Je eher wir reagieren, umso weniger Zeit hat er, seine Spuren endgültig zu verwischen.«
Rafael schnaubte. »Das ist der erste vernünftige Satz, den ich seit Ewigkeiten von dir höre, Bruder. Hier.« Er langte in die Hosentasche, zog ein Handy heraus und warf es Joaquín zu. »Das kannst du wahrscheinlich gebrauchen. Gehört sowieso dir. –
Jorge fährt dich.« Bei den letzten Worten hatte Rafael ebenso bestimmt geklungen wie Joaquín kurz zuvor.
»Das ist nicht nötig.«
»Ich denke doch.«
»Rafael hat recht, Patron«, mischte sich auch Jorge ein.
Der Blick, mit dem Joaquín sowohl Rafael als auch ihn bedachte, war nicht misszuverstehen. Keiner von beiden zeigte sich beeindruckt.
Es war Joaquín, der schließlich ein leises Knurren ausstieß. »Also gut. – Zufrieden?«
»Ja. – Während du nicht da warst, ist Tomás übrigens auf Santa Reyada aufgetaucht und wollte irgendetwas von dir.«
Schlagartig war Joaquíns Miene wie versteinert. »Hat er gesagt, was?«
Rafael hob die Schultern. »Das wollte er weder mir noch Cris verraten. Aber er hat sich aufgeführt wie … na ja, Tomás eben. – Ich dachte, das solltest du wissen.«
»¡Gracias!« Warum klang Joaquíns Stimme mit einem Mal so gepresst?
Offenbar war das auch Rafael nicht entgangen, denn er hob fragend eine Braue. »¡De nada! – Oder gibt es etwas, das ich wissen sollte?«
Wieder schüttelte Joaquín den Kopf, wie zuvor hing sein Blick in meinem, als er zu dem schmalen Trampelpfad hinter Rafael nickte, der sich nur ein paar Meter weiter in der Dunkelheit zwischen irgendwelchen Kakteenbüschen verlor. »¡Vamos!«
Einen Moment musterte Rafael ihn, streckte mir dann die Hand hin. »Kommen, tigresa. Fernán wird begeistert sein, wenn er dich sieht.«
Ich machte einen Schritt zurück. »Nein, ich …« Ich verstummte,
schaute zu Rafael, sah abermals zu Joaquín. Er war mit Jorge auf mich zugekommen, auf dem Weg zu dem Trampelpfad hinter mir und Rafael, blieb jetzt wieder stehen, musterte mich fragend. »Luz …?«
»Wir …« Ich schluckte. »Wir müssen reden.« Mein Herz schlug viel zu schnell.
Joaquín runzelte die Stirn. »Luz …«
»Nein.« Ich presste die Handflächen gegeneinander. »Jetzt. Ich … Wir müssen reden.« Meine Kehle war wie zugeschnürt. Einen Moment forschten Joaquíns Augen in meinen. Etwas in seinem Blick schien sich zu verändern.
»Nicht jetzt.« War da Bedauern in seinem Ton?
»Aber …«
Seine Hand an meiner Wange brachte mich zum Schweigen. »Wir reden, wenn das hier vorbei ist, mi vida. In Ruhe. Nur wir zwei. Aber jetzt muss ich sehen, dass ich den Alten erwische, bevor er verschwinden und noch mehr Schaden anrichten kann.« Federleicht strich er mit dem Daumen über meine Haut.
»Versprochen?« Das Wort war so leise, dass ich eine Sekunde glaubte, er hätte mich nicht verstanden.
Doch dann nickte er. »Versprochen. – Und jetzt geh mit
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