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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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gegenüber.
    »Als Erstes …« Ich fuhr vor ihm zurück, als er sich unvermittelt vorbeugte und nach meinem Bein griff. »Lass mich nach deinem Knöchel sehen.«
    »Meinem Knöchel geht es gut.« Brüsk entzog ich ihm mein Bein wieder, drückte mich tiefer in den Sessel. Sekundenlang maß er mich auf diese prüfend-abschätzende Art, ehe er die Schultern hob.
    »Wie du meinst. Dann wird Fernán ihn sich ansehen, wenn er heute Abend kommt.«
    »Wer auch immer das ist: Er soll sich zum Teufel scheren.«
    Einen winzigen Augenblick biss er die Zähne so fest zusammen, dass es an seiner Wange zuckte. »Fernán ist Arzt. Wir haben ihn in der vergangenen Nacht gerufen, nachdem du zusammengebrochen bist.« Noch etwas, von dem ich nichts mitbekommen hatte. »Er hat versprochen, heute Abend noch einmal vorbeizukommen, um sich davon zu überzeugen, dass tatsächlich wieder alles mit dir in Ordnung ist.«
    Wie sollte alles in Ordnung sein? Ich war eine Gefangene! – Vielleicht … Nein. Er würde niemanden in meine Nähe lassen, den ich um Hilfe bitten könnte.
    »Er soll bleiben, wo der Pfeffer wächst.« Ich schloss die Hände um die Armlehnen.
    »Wie du meinst. Ich werde ihn später anrufen und ihm genau das wortwörtlich von dir bestellen. Ich bin gespannt, was er sagt.«
    Hinter ihm ließ Rafael ein belustigtes Schnauben hören. Er ignorierte ihn, lehnte sich ein Stück weiter vor. »Dann zum zweiten Punkt.« Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mich noch
tiefer in meinem Sessel verkrochen. »Ich habe dir versprochen, wir beide werden reden, wenn ich zurück bin.«
    »Es gibt nichts zu reden. Ich will nicht hier sein. Lass mich gehen!« So hart und entschieden ich die ersten beiden Sätze noch herausgebracht hatte: Der letzte klang für mich zu sehr wie ein Flehen.
    Er sah mich an. Sekundenlang. Wortlos. »Lasst uns bitte allein. « Seine Stimme war plötzlich verblüffend sanft.
    Rafael stellte das Jod-Fläschchen auf den Baumstamm-Tisch, bedachte mich mit einem schiefen Grinsen und einem »Habt Spaß damit« und ging zur Tür.
    Cris rührte sich nicht. Mit den Augen bettelte ich ihn an, mich nicht mit seinem Bruder allein zu lassen. Er brauchte mich zwar lebend, aber nur der Himmel wusste, was er mit mir anstellen würde, wenn niemand sonst mehr im Raum war. Er senkte den Kopf ein kleines Stück. »Das gilt auch für dich. Lass uns allein.«
    »Joaquín …« Anstatt zu gehen, machte Cris einen Schritt auf uns zu.
    Mit einem Knurren fuhr er auf dem Hocker zu ihm herum. »Was war an ›Lass uns allein‹ nicht zu verstehen? – Raus!«
    Cris hob die Fäuste. Oh mein Gott, er hatte doch niemals eine Chance gegen ihn. »Du kannst sie nicht so behandeln. Ich werde nicht zulassen …«
    »Was?« Geradezu betont langsam stand er auf. »Wenn du nicht nach Boston gegangen und ihr nachgestiegen wärst, würde vieles jetzt anders laufen. Aber du warst nun mal in Boston und bist ihr nachgestiegen. Also laufen die Dinge jetzt so, wie sie laufen. Egal ob es uns gefällt oder nicht.« In mildem Spott hob er eine Braue. »Du willst dich nicht mit mir anlegen,
Cristóbal. Glaub mir. Weil ich diesmal nämlich vergessen werde, dass du mein kleiner Bruder bist, wenn ich zuschlage. – «
    »Nein …« Keiner von beiden schien meinen Protest zu hören.
    » – Ich sage es nur noch dieses eine Mal: raus!«
    Ängstlich sah ich zwischen ihnen hin und her. Für etwas, das sich anfühlte wie eine kleine Ewigkeit, rührte Cris sich nicht, die Fäuste nach wie vor geballt und halb gehoben. Bis er sich nach einem letzten Blick zu mir umdrehte und das Wohnzimmer mit wütenden Schritten verließ. In der Stille klangen meine keuchenden Atemzüge viel zu laut.
    Einen Moment lang stand er ähnlich regungslos wie sein Bruder gerade noch, bevor er die Fingerspitzen gegen seine Schläfen presste. Seine Schultern schienen für eine Sekunde ein wenig nach vorne zu sinken, doch dann war er so rasch zur Wohnzimmertür gegangen, um sie hinter Cris zu schließen, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es tatsächlich gesehen hatte. Eben drehte er sich wieder zu mir um.
    »In Ordnung, Lucinda. Nur noch du und ich.« Gefährlich langsam kam er auf mich zu. Ich schrak auf meinen Sessel zurück. Er blieb abrupt stehen. Wie zuvor zuckte es an seiner Wange. »Lass mich eins klarstellen …« Seine Stimme klang, als würde er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurchsprechen. »Ich werde dir nichts tun.«
    Ja, natürlich.
    »Ich will nur mit dir reden. Dir die Dinge

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