Blutbraut
drang durch den Spalt unter ihr noch Licht, dann war endgültig Finsternis um mich. Ich saß zitternd da, rang durch den Knebel und den Rotz nach Atem. Ein Vampir. Ein junger Hexer, der Nosferatu wurde. Wie er. Sie holten ihn her. Würden mich ihm überlassen. Mich mit ihm allein lassen. Er würde seine Zähne in meinen Hals schlagen, mein Blut … er würde mein Blut … Ich wimmerte hilflos, kauerte mich noch tiefer in die Ecke, zerrte und riss an meinen Fesseln wie eine Besessene. Ohne Erfolg. Sie zogen sich nur noch fester zusammen, gruben sich tiefer in meine Haut. Ich schluchzte, kämpfte weiter mit ihnen. Und erstarrte, als die Tür irgendwann erneut geöffnet wurde – und sich gleich darauf wieder schloss. Ein schmaler Streifen Licht blieb übrig. Ein Mann kam auf mich zu. Vampir! Ich konnte es spüren. Von einer Sekunde zur anderen war mein Atem nur noch ein hohes Keuchen. Er kauerte sich vor mich, hob beschwichtigend die Hände.
»Ich tue dir nichts. Du musst keine Angst haben.«
Ich schüttelte den Kopf, drückte mich fester gegen die Mauer, ächzte hilflos.
»Ich tue dir nichts.«
Mein Ächzen wurde zu einem Wimmern, als er näher rutschte, eine Hand nach mir ausstreckte, mein Haar berührte, eine Strähne zwischen den Fingern rieb.
»Schwarz«, flüsterte er. »Ich wette, deine Augen sind grün und dunkel. Du bist hübsch. Ich habe dich gesehen, als sie dich ins Haus gebracht haben. Ich bin Paul.« Mit den Fingerknöcheln strich er meine Wange abwärts. Alles in mir verkrampfte sich. »Rogier sagt, du bist für Maximilien. Wenn du für ihn passt. Aber meine Zeit läuft ebenso ab wie Maximiliens. Und es ist die Blutbraut, die wählt. Du bist zwar de Alvaro versprochen, aber nachdem du vor ihm davongelaufen bist … Wenn du sagst, dass du mich willst, kann Rogier nichts dagegen tun. Dann müssen sie mein Blut zuerst gegen deines prüfen. Ich bin zwar nicht der Neffe des Messire und ich bin sicher nicht so reich wie de Alvaro, aber ich würde gut zu dir sein. Ich verspreche es. Verstehst du? Ich will nicht Nosferatu werden. Aber ich kann fühlen, wie es beginnt.« Seine Berührung verharrte an meiner Kehle. Ich keuchte auf. »Du kannst dir diese Gier gar nicht vorstellen. Selbst jetzt …« Genießerisch sog er die Luft ein. »Du riechst gut. Süß.« Plötzlich war seine Stimme ein heiseres Flüstern. »Dein Blut muss köstlich sein …«
Meine Atemzüge wurden zu einem verzweifelten Pfeifen. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen die Wand in meinem Rücken. Wollte ihm ausweichen.
Er beugte sich weiter vor. »Es tut nicht weh.« Sein Atem an meinem Hals.
Ich schnappte nach Luft. Hysterisch. Oder kurz davor. Bitte. Bitte, bitte. Nein. Bitte. Nein, nein! Nein, bitte!
Er kam näher. Näher. Ich wand mich, heulte und schrie gegen meinen Knebel. Seine Lippen auf meiner Haut. Meine Lungen zogen sich zusammen. Nein! Bitte! Die Welt blieb stehen; zersplitterte.
Eine Tür schlug krachend gegen eine Wand.
Ein Knurren.
Das zu einem Brüllen wurde.
Plötzlich war er fort.
Schreie. Gurgeln.
Füße traten dicht neben mir in die Luft.
Schwer schlug etwas auf den Boden.
Eine Hand fiel schlaff ins Licht. Eine Lache kroch darunter hervor. Kroch. Kroch …
Die Welt wurde trüb.
Jemand beugte sich über mich.
Ein Mann. Schwarzes Haar. Glitzernde Augen. Farblos. Beinah. Fänge. Spitz und scharf.
Ich sah ihn an, sah ihn an …
Alles war seltsam fern.
Der Knebel verschwand aus meinem Mund.
Irgendjemand keuchte, hustete, wimmerte, schluchzte.
»Sch, mi corazón. Todo está bien.« Rau. Grollend. »Todo está bien.«
Meine Hände rutschten nach vorne, plötzlich frei.
»Todo está bien. No llores. Nicht weinen. Alles ist gut.«
Die Fesseln verschwanden von meinen Knöcheln.
Ich saß einfach nur da. Sah ihm dabei zu, wie er meine Arme um seinen Hals legte, mich hochhob. Ließ es geschehen. Apathisch. Stumpf.
Eine Treppe.
Nach oben.
Ein anderer Mann. Fahlblaue Augen. Etwas glänzte dunkel in seiner Hand.
Eine Frau auf einer anderen Treppe. Ihre Zehennägel blutrot lackiert. Sie starrte mich an. Über mich hinweg; auf den Mann,
der mich trug. Ihr Mund formte etwas, ein Wort. Ein Knurren unter meiner Schulter.
Eine Halle.
Noch eine Treppe.
Kühle Nachtluft.
Eine Tür schlug. Eine zweite.
Das Brummen eines Motors.
Hände massierten meine Handgelenke. Sanft. Behutsam. Eine Stimme, die murmelte. Tröstend.
Der Geruch von Orange. Und Zimt. Und Nelken.
Eine Hand strich über meinen Rücken; auf
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