Blutbraut
neben dem Herd zurückgefunden hatte. »Dann auf zu deiner Führung.« Schwungvoll
stieß er sie für mich auf und ließ mich vorbeigehen. Die Hitze außerhalb des Hauses fühlte sich an, als sei ich unvermittelt in einen Backofen geraten. Sofort brach mir der Schweiß aus.
»Wie kannst du das nur aushalten?« Ich drehte die Haare im Nacken zusammen und schlang sie zu einem Knoten – der natürlich nur ungefähr fünf Sekunden hielt, während ich dem Pfad aus hellem Schotter folgte, der hinter das Haus führte. Und ich hatte gestern tatsächlich in diesen Glutofen hinein davonlaufen wollen? Ich musste wahnsinnig gewesen sein. Mit zwei Schritten hatte Cris zu mir aufgeschlossen.
»Wahrscheinlich gewöhnt man sich dran. Aber normalerweise wohne ich die meiste Zeit auch in Los Angeles. Das hier«, mit einer weit ausholenden Handbewegung wies er in das grelle Sonnenlicht vor uns, »ist nichts für mich. Es ist Joaquíns Welt. Hitze, vertrocknete Erde und Kakteen. Von dem ganzen Viehzeug, das hier herumkriecht, will ich gar nicht reden. – Er ist besessen von Santa Reyada.«
»Und warum bist du ausgerechnet jetzt hier?« Die Worte sollten eigentlich leichthin gesagt klingen.
Seine Hand an meinem Arm stoppte mich. Ich drehte mich zu ihm um. Sein Griff war sanft, nicht hart und ungeduldig wie der seines Bruders. Mit einem Lächeln sah er mir in die Augen. »Deinetwegen. Ich würde dich nie mit Joaquín allein lassen. Jetzt schon gar nicht mehr. Nicht, wenn ich es vermeiden kann.« Mit den Fingerspitzen strich er mir über die Stirn. »Du weißt, was ich für dich empfinde, Lucinda. Daran hat sich nichts geändert.« Er beugte sich vor, ganz offensichtlich, um mich zu küssen.
Abrupt machte ich einen Schritt zurück. »Ich …«
»Entschuldige.« Cris ließ mich hastig los. »Ich … habe dich
enttäuscht und dir wehgetan. Ich kann verstehen, dass du … Zeit brauchst.« Er rieb sich über den Mund. »Das ist okay. Glaub mir. Nimm dir alle Zeit der Welt.« Er zögerte. »Ich will nicht sagen, dass es mir gefällt, aber … es ist okay. Ich kann damit leben.« Sein Hundeblick hätte Steine erweichen können. »Solange du nur hierbleibst und mir eine Chance gibst.«
Eine Chance? Gab es so etwas denn? Nicht nur für ihn, für uns beide? »Und was ist mit … deinem Bruder?«
Sein Blick ging zum Haus. »Ich arbeite dran.« Ganz kurz glaubte ich einen verblüffend harten Zug um seinen Mund zu sehen, dann schaute er mich schon wieder an. »Ich verspreche dir, Lucinda, wenn du es willst, dann haben wir beide eine Chance.« Eine Sekunde musterte er mich, dass ich fast den Eindruck hatte, er wartete auf eine Reaktion, doch dann schüttelte er in einer kleinen Bewegung den Kopf. »Ich schaffe es tatsächlich noch, dir den Tag zu verderben. – Komm, lass dir die Sehenswürdigkeiten von Santa Reyada zeigen. Nicht, dass es besonders viele wären oder sie tatsächlich besonders sehenswert sind.« Er nahm meine Hand und zog mich weiter, in einen schmalen Fußweg hinein, der zu beiden Seiten von Hecken eingefasst war. Doch schon nach ein paar Schritten blieb ich wieder stehen. Fragend den Kopf geneigt, wandte Cris sich zu mir um.
»Wie ist er so …« Es fiel mir seltsam schwer, seinen Namen auszusprechen. Aber wen sollte ich sonst nach ihm fragen? Er schien so viel über mich zu wissen und ich … nichts. »… dein Bruder.«
Cris bedachte mich mit einem Blick unter einer gehobenen Braue heraus. »Na klasse, du bist bei mir und fragst nach Joaquín. Nicht sehr schmeichelhaft für mich.«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Bevor ich noch eine Entschuldigung stammeln konnte, legte er mir schon sacht die Fingerspitzen auf die Lippen. »Wie süß du bist, wenn du rot wirst. Und du hast recht. Je mehr man über seinen Feind weiß, umso besser.« Behutsam strich er mir eine Strähne hinters Ohr. »Also, lass mich überlegen. Wie ist er so, der geniale Joaquín de Alvaro, mein herzallerliebster großer Bruder? « Für eine Sekunde war wieder dieser harte Zug um seinen Mund. »Selbstgerecht, arrogant, berechnend, anmaßend, tyrannisch, jähzornig, perfektionistisch, rücksichtslos, mächtig … Habe ich schon ›selbstgerecht‹ erwähnt?« Er vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Reicht das oder soll ich weitermachen? «
»Das klingt, als würdest du ihn … nicht sonderlich mögen.«
Ein Schulterzucken. »Er ist mein Bruder. Aber die meiste Zeit führt er sich auf, als sei er mein Vater.«
»Hat er denn gar
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