Blutbraut
uns herabzubrennen. Als ich zögernd die Lider hob, erkannte ich warum: Über uns rankte sich etwas, das für mich wie Weinlaub aussah, an einem hölzernen Gestell entlang zu einem grünen Bogengang. Das Holz schien ziemlich alt zu sein. Zwischen einer Lücke in den Zweigen glaubte ich für einen kurzen Moment ein grelles Glitzern zu sehen. War das der Pool?
»Besser?« Cris war stehen geblieben, lächelte mich auf die für ihn so typische Art an. Meine Hand lag immer noch in seiner. Noch vor knapp zwei Tagen hätte ich alles darum gegeben, um von ihm in den Armen gehalten zu werden, und jetzt? Warum hatte ich eigentlich nicht einmal den Verdacht gehabt, dass er mich belog? Noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass das alles mit ihm vielleicht doch zu schön sein könnte, um wahr zu sein? Ich entzog ihm meine Hand. Sein Lächeln verblasste.
Plötzlich war da wieder dieses seltsame Gefühl von Schuld. Was auch passiert war: Das hier war immer noch Cris. Ich wollte ihm nicht wehtun. Und doch …
Nach einem letzten Zögern drehte ich mich um und ging weiter, tiefer in die Schatten hinein. Ich glaubte, zu hören, wie er mit einem leisen Zischen die Luft ausstieß, ehe er zu mir aufschloss.
Eine ganze Weile sprach keiner von uns, während wir dem Laubengang folgten. Vorbei an dem ein oder anderen Durchgang, hinter dem sich ein schmaler Weg schon nach wenigen Metern zwischen weiteren Hecken im stechenden Sonnenlicht verlor. Jedes Mal, wenn es eine etwas größere Lücke im Rankendach über uns gab, zeichnete sich mein Schatten scharf auf dem Schotterweg vor mir ab. Ab und zu blieben wir stehen, Cris deutete, erklärte. Und mit jedem Mal klopfte mein Herz ein bisschen mehr. Santa Reyada war … riesig. Da war ein Rosengarten, ein Meer aus Blüten und Farben, dessen Duft uns der heiße Wind schon entgegentrieb, als er noch nicht einmal in Sicht war; ein kunstvoll angelegter Teich, über den sich eine hölzerne Brücke spannte und in dem man selbst aus einiger Entfernung die Fische sehen konnte, die sich darin tummelten,
– ebenso wie die größeren und kleineren Wasservögel, die im dichten Schilf versteckt, das meterweit vom Rand hinein wuchs, zu uns her lugten. Das alte Waschhaus, weiß verputzt und mit einfachem Tonziegeldach, hatten einige Frauen aus San Isandro ›annektiert‹, wie Cris sagte, um darin Seife und alle möglichen Badezusätze zu machen. Da war ein Wäldchen aus Orangen – und Zitronenbäumen. Kirschbäume. Dahinter erstreckten sich Reihe um Reihe knorrige Weinreben. Da waren Schuppen und Nebengebäude. Einige halb zerfallen und alt, andere anscheinend neu oder zumindest frisch renoviert. In einer Art ›Wüstengarten‹ wuchsen blühende Kakteen zwischen den offenbar allgegenwärtigen Joshua Trees und ich wurde seltsamerweise das Gefühl nicht los, dass das hier ein Abbild des ursprünglichen Santa Reyada war. So wie es ausgesehen hatte, bevor die Macht der de Alvaros alles in blühendes Grün verwandelt hatte. Ich erhaschte einen Blick auf den kleinen Familienfriedhof in der Ferne mit seinen alten und neueren Gräbern. In seiner Mitte ragte ein scheinbar uralter Baum in den Himmel, eingefasst von einem schmiedeeisernen Zaun …
Und dann endete der Laubengang irgendwann abrupt und vor uns erstreckte sich erneut harte Helligkeit und ungemilderte Hitze. Der Boden schien regelrecht zu gleißen. Am Rand des Lichts blieb ich stehen. Ich konnte Cris hinter mir spüren. Ganz nah.
»Das da drüben war früher die Schlafbaracke der Cowboys, als Santa Reyada noch eine richtige Ranch war. Vor ein paar Jahren hat Joaquín sie renovieren und umbauen lassen. Eigentlich war sie für Besuch gedacht. Inzwischen ist sie Rafaels Domizil. « Über meine Schulter wies er an mir vorbei nach links, auf ein flaches, weiß getünchtes Gebäude, dessen hölzerne
Läden weitestgehend geschlossen waren. »Sie hat sogar eine eigene Garage und eine separate Zufahrt.«
Mein Blick wurde von etwas anderem angezogen: einem Skelett aus schwarz verkohlten Balken und halb eingestürzten Mauern, die ein Stück rechts von uns in den Himmel ragten. Offenbar war es Cris nicht entgangen.
»Das ist alles, was von unserem Stall übrig geblieben ist«, erklärte er mit unüberhörbarem Bedauern.
»Ihr hattet Pferde?« Ich war unter dem Laubengang herausgetreten, um es mir besser ansehen zu können, schaute zu ihm zurück.
Cris nickte, folgte mir in die Sonne und ihre Hitze.
»Was ist passiert?«
»Ein Feuer. Vor knapp
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