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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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nötig festzuhalten, ehe er sie losließ und wieder mehr Abstand zwischen uns brachte.
    »Du wirst niemandem von unserem Deal erzählen. Auch nicht Cris. Das ist dir hoffentlich klar. Ein Wort und die Sache ist geplatzt.«
    Misstrauisch machte ich einen Schritt zurück, stieß gegen einen Stuhl. »Warum?«
    »Weil das, was wir beide vorhaben, heutzutage in der Hermandad nicht mehr«, er zögerte, »sagen wir … üblich ist.«
    »Heutzutage?«
    »Heutzutage. – Nachdem das geklärt wäre, schlage ich vor, wir fangen direkt mit deinem Unterricht an.«
    Erschrocken öffnete ich den Mund, schloss ihn wieder. »Was? Ich meine … jetzt gleich?«, stammelte ich dann.
    »Ich habe zehn Tage, um dir zumindest die Grundlagen von Dingen beizubringen, für die manche ihr ganzes Leben brauchen. Warum also Zeit verschwenden? – Da drüben findest du Papier und Stifte.« Er nickte zu einem altertümlichen Schreibpult an der einen Wand. »Dein Unterricht beginnt jetzt sofort, mi flor.«

16
    E r war ein Zuchtmeister. Ein Schinder. Ein Perfektionist. Ein Ekel. Und er konnte erklären, dass die Magie der Wardings und Siegel sich selbst mir erschloss.
    Er kam mir während meiner Stunden in seinem Laboratorium nie zu nahe. Zumindest nie bewusst. Und wenn, merkte ich es meist erst in genau dem Moment, in dem er schon wieder auf Distanz ging.
    Er erklärte, ich hörte zu, stellte Fragen, wenn ich etwas nicht verstand. Eine Tafel, auf der zuvor irgendwelche mathematisch aussehenden Gleichungen gestanden hatten, wurde für mich zur Schultafel. Nie war ich vor seinen Fragen zur Theorie sicher. Meistens stellte er sie aus heiterem Himmel, wenn ich mich gerade auf andere Dinge konzentrierte.
    Ich lernte den Unterschied zwischen großen und kleinen Bannkreisen – der nichts mit dem Durchmesser zu tun hatte, sondern mit welchen Siegeln sie geschrieben waren und ob sie darüber hinaus mit oder ohne eines der beiden ›mächtigen‹ Elemente, Tränen und Blut, geschlossen wurden. Und woran jemand wie ich den Unterschied erkennen konnte, auch wenn sich das Element selbst nicht mehr feststellen ließ. Er erklärte mir, dass es eine ›Rangfolge‹ der Bannkreise gab, die unter anderem davon abhängig war, in welcher Reihenfolge sie geschrieben
waren und mit welchem Element. Und dass man Bannkreise manchmal sogar brechen konnte, wenn man nur herausfand, welcher der ältere und mächtigere war. Wie man sie schrieb, welche Siegel zusammen verwendet werden durften und welche auf gar keinen Fall. Er hämmerte mir die Siegel erster und zweiter Ordnung ein, ließ sie mich wieder und wieder und wieder zeichnen – und gab mir jedes Mal eine andere Stelle vor, an der eine der Linien nicht geschlossen sein durfte, um zu verhindern, dass sie ›lebendig‹ wurden; wie sich ihre Macht abhängig vom Tag-Nacht – und dem Mondzyklus veränderte; dass ein einziger Punkt ein Siegel in das genaue Gegenteil verkehren konnte. Selbst die Farbe, in der es geschrieben war, konnte seine Wirkung verändern.
    Bei dem, was Tante María mir über Hexerei erzählt hatte, hatte ich immer das Bild von etwas Plumpem, Hässlichem mit viel Gestank und Zeremonie vor Augen gehabt. Die Hexerei, die er mir zeigte, war … Harmonie. Wissenschaft und zugleich empfindlicher Balanceakt der unterschiedlichsten Kräfte.
    Wahrscheinlich hätte jeder Hexer der Hermandad für das getötet, was ich hier als Bedingung für meine Freiheit regelrecht vor die Füße geworfen bekam: das Wissen von Joaquín de Alvaro. Dabei hatte dieses Wissen für mich nur einen Wert: Wenn ich verstand, wie die Hexerei der Hermandad funktionierte, war ich ihnen nicht mehr ganz so hilflos ausgeliefert. Dabei war mir bewusst, dass das, was er mir beibrachte, noch nicht einmal die oberste Schicht der Spitze des Eisberges war. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass er noch nicht einmal das jemals mit einem anderen aus der Hermandad teilen würde. – Vielleicht mit Cris, aber garantiert mit niemandem sonst.
    Bei alldem hatte er eine scheinbar unerschöpfliche Geduld.
Und ich verfluchte ihn dafür, denn er war erst dann zufrieden, wenn das Ergebnis seines Unterrichts perfekt war.
     
    Die nächsten Tage verliefen nach demselben Schema: Morgens kurz nach Sonnenaufgang scheuchte er mich aus dem Bett. Dachte er zumindest. Dabei war ich schon lange, bevor er an meine Tür klopfte wach. Und beobachtete ihn von meinem Balkon aus – hinter einem der Oleander verborgen – dabei, wie er Bahn um Bahn im Pool

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