Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
Mystisches, nicht wahr?« Laura sprach ihre Schlussfolgerung offen aus: »Vielleicht hätten Sie ihn gar nicht verhindern können? Womöglich hat Laurenz’ Ermordung gar nichts mit der anderen Sache zu tun?«
»Das hoffte ich auch. Aber Walter Dreyer meinte, dass alles irgendwie zusammenhängen müsse. So oft wird in der Gegend nicht von Mord gesprochen. Und nun der Überfall auf Sie! Haben Sie denn jemanden bemerkt?«, erkundigte sich Judith Brunner.
»Keinen Menschen, es war alles ruhig, nur ein Hund bellte. Aber haben Sie, als Sie mich fanden, denn nicht jemanden gesehen?«, wollte Laura wissen.
Judith schüttelte den Kopf. »Allerdings, etwas war schon merkwürdig gestern Abend: Als wir nach unserem Gespräch vom Gutshaus zum Auto gingen, sahen wir deutlich ein Licht im Park, und Walter Dreyer wies mich darauf hin, dass dort große, alte Blutbuchen stehen.«
Laura überlegte. »Ich kenne die Stelle. Es ist eigentlich sehr romantisch dort. Zu jeder Jahreszeit sind diese Bäume schön anzusehen. Immerhin war es in der Dämmerung unter den Blutbuchen bereits stockfinster und wir sind auch nur mit Taschenlampen dort gewesen.«
»Wie? Sie waren dort?« Judith Brunner staunte.
»Ja, als Kinder sind wir oft bei den Blutbuchen gewesen. Es war für uns unter den Bäumen wie in einem Schloss. Ein hohes Dach, Innenhöfe, ein großer Saal. Im Herbst haben wir das rote Laub zusammengetragen, unsere Möbel aus Laubhaufen geformt. Tische, Stühle, Betten, sogar in einzelne Räume haben wir alles unterteilt. Im heißen Sommer war es schön kühl, und wenn es regnete, schützte das Blätterdach und wir glaubten immer, niemand könne uns bei Nebel dort entdecken. Wir spielten Hofstaat und waren sicher gute Schauspieler. Es war eine schöne Zeit.«
Judith Brunner spürte, wie liebevoll sich Laura erinnerte. »Das glaube ich gern. Ob dort heute auch noch Kinder spielen?«
»So spät? Ich könnte mich erkundigen. Ich kenne viele Leute hier.«
Judith Brunner lächelte. »Sie bleiben am besten erst einmal im Bett. Wenn Sie sich sehen könnten, wäre Ihnen das auch klar. So sehr eilt es nun auch nicht. Aber wenn es Ihnen wieder besser geht, komme ich gern auf Ihr Angebot zurück.« Sie stand auf. »Ist Ihnen zu dem Angriff sonst noch irgendetwas eingefallen?«
»Nein, ich kann mir die ganze Sache nicht erklären.« Plötzlich fing Laura an zu weinen. »Warum?« Sie schluchzte auf und ihr wurde furchtbar übel. Erst in diesem Moment realisierte sie die Möglichkeit, dass jemand versucht hatte, sie zu erschlagen. Kein schönes Gefühl. »Wann wollte Astrid denn kommen?«, brachte sie mühsam hervor.
»Ich sage ihr gleich Bescheid, dass Sie warten. Rufe kurz von Ihrem Apparat an, ja? Ich muss Sie dann aber verlassen. Wenn ich wieder aus Gardelegen zurück bin, erzähle ich Ihnen die Neuigkeiten, einverstanden?«, versuchte Judith mitfühlend, Laura zu beruhigen. Es tat ihr leid, die Wirkung ihrer Fragen unterschätzt zu haben. Gestern Abend hatte Laura Perch recht gefasst reagiert und nach dem Überfall benommen, aber nicht ängstlich gewirkt. Allerdings setzte so eine Reaktion manchmal verzögert ein, das wusste sie auch.
»Laura, verraten Sie mir bitte noch, was Sie gestern Abend eigentlich da draußen wollten?« Judith Brunner vermied es darauf hinzuweisen, Laura Perch ausdrücklich um Vorsicht gebeten zu haben.
»An der Eiche?« Laura musste nachdenken. »Ach«, fiel es ihr ein, »ich wollte die Blumen ins Wasser stellen.«
»Die Blumen ins Wasser stellen?« Judith fürchtete nun etwas um Lauras Erinnerungsvermögen.
Doch Laura beharrte: »Ja. Haben Sie denn den Strauß nicht bemerkt, der auf der Bank lag?«
Judith schüttelte den Kopf.
Laura sah Judith eindringlich durch ihre Tränen an. »Erinnern Sie sich bitte, als wir gestern hier ankamen und ich Ihnen sagte, dass Sie hier vor diesem Haus anhalten sollen, da lag auf der Bank ein wunderschöner Strauß. Er fiel mir gleich auf und ich dachte noch, jemand hätte ihn bereitgelegt, um auf dem Friedhof ein Grab zu schmücken und dann sei vielleicht etwas dazwischen gekommen. Na, jedenfalls bemerkte ich abends, dass die Blumen noch dort lagen. Und ich wollte sie retten und wenigstens in eine Vase stellen. Heute hätte man sie immer noch zum Friedhof bringen können.«
Doch Judith Brunner war sich sicher, dass dort keine Blumen gelegen hatten, als sie und Walter Dreyer aus dem Auto gestiegen waren und sich verwundert vor Lauras offener Haustür umsahen. Im
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