Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
sie auf besonders vertraute Art gern zu haben. Jeder war bisher freundlich zu ihr, bis auf den, der ihr das angetan hatte. Denn Lauras Frage nach einem Angreifer bedeutete, dass ihre Verletzung nicht von einem Unfall herrührte.
»So, geschafft! Wir bringen dich jetzt ins Bett und ich gebe dir etwas gegen die Schmerzen. Du wirst sehen, morgen geht es dir wieder viel besser. Ich werde kommen und nach dir sehen, versprochen.«
Als sie Laura versorgt hatten, sahen die drei sich unsicher nach einer Sitzgelegenheit um. Keiner von ihnen war hier zu Hause, doch sie mussten sich besprechen. Judith Brunner lief umher und entdeckte den gedeckten Küchentisch. »Kommen Sie, setzen wir uns hier hin. Einen Happen zu essen könnte ich auch vertragen. Ich mache uns einen Tee. Das Wasser hatte Frau Perch wohl schon aufgesetzt.« Sie übernahm die Rolle der Gastgeberin. »Setzen Sie sich, Herr Doktor. Kommen Sie, Herr Kollege«, überredete sie die Männer. »Wie geht es ihr, Herr Bach?«
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Nur oberflächliche Hautverletzungen. Sie wird allerdings ein paar Tage Kopfschmerzen haben. Und vielleicht Angstzustände, länger als ein paar Tage. Was ist hier eigentlich los?« Wieder war er etwas zu laut, fand Judith Brunner.
Sie stellte ihm einen Becher Tee hin. »Möchten Sie etwas dazu? Honig oder Milch?«
»Warten Sie, ich weiß, wo ein Schlückchen Rum zu finden sein könnte.« Walter Dreyer ging in die Speisekammer und kam mit einer vollen Flasche tschechischen Rums wieder, den viele bei Winterurlauben im Riesengebirge schätzen gelernt hatten und der hier jedem ein willkommenes Souvenir war. Sein Wissen um die Existenz dieser Flasche beruhte auf der einfachen Tatsache, dass sie im vergangenen Winter sein Mitbringsel für Laura war und er die Flasche selbst ins Regal gestellt hatte. Er goss ihnen allen einen kräftigen Schluck in den Tee.
»Bleib ruhig, Martin. Du hast ihr gut geholfen. Danke. Aber was los ist, wissen wir auch nicht genau. Ich hab dir doch vorhin erzählt, was am Bahnhof in Gardelegen passiert ist. Vielleicht hat Laura etwas vom Mord mitbekommen, was ihr noch gar nicht bewusst geworden war.«
»Weißt du, wenn ihr nicht gerade vorbei gekommen wärt ...? Wir müssen besser auf sie aufpassen, Walter.« Martin Bach schlürfte von dem heißen Getränk.
»Da haben Sie recht«, mischte sich Judith Brunner ein. »Ich wohne hier bei ihr im Haus, sodass ich heute Nacht nach ihr sehen kann. Und für morgen finden wir schon eine Lösung.«
»Wie weit seid ihr eigentlich? Habt ihr schon eine Idee, was mit Laurenz Heitmann passiert ist und warum. Weiß schon jemand davon?«
Walter Dreyer fühlte sich angesprochen. »Na ja, vorhin waren wir auf dem Gut. Andere haben wir noch nicht informiert. Und du erzählst bitte auch niemandem von Laurenz’ Ermordung. Geh erst mal wieder nach Hause, wir passen schon auf Laura auf. Glaub mir.«
Jeder hing seinen Gedanken nach.
»Was wollte sie eigentlich da draußen«, fragte Martin Bach, plötzlich aufbrausend, »ich verstehe das nicht!«
»Komm, geh nach Hause! Morgen kannst du dich wieder um sie kümmern. Und beruhige dich bitte!« Walter Dreyer brachte ihn zur Tür.
Nachdem der Arzt gegangen war, klärte Walter Dreyer Judith Brunner auf: »Die beiden waren mal ein Liebespaar. Vor Jahren, noch als Teenager. Wenn Laura in den Ferien ihre Großeltern besuchte, waren sie unzertrennlich. Eine glückliche Zeit. Doch Laura fuhr nach den Ferien wieder in die Großstadt und Martin musste hier im Dorf bleiben, jeder in seiner Welt. Das ging lange gut, bis Lauras Besuche durch ihre Lehrzeit seltener werden mussten. Und Martin konnte Lauras länger werdende Abwesenheit nicht verkraften. Er war zu jung, um zu begreifen, was er da aufgab. Er begann, sich mit Zufallsbekanntschaften zu trösten. Als Laura davon erfuhr, war dies die erste Enttäuschung in ihrem Leben, die ihr ein Mann bereitete. Die Jugendliebe war vorbei.« Walter trank einen Schluck Tee. »Zudem hatte Martin die Macht des Faktischen hier auf dem Dorf unterschätzt. Als Sohn des Arztes war er ein begehrter Junggeselle und eines der Mädchen hatte ihn schnell am Haken. Ein Kind war unterwegs und es wurde geheiratet. Laura fühlte sich um ihre Liebe betrogen. Und Martin wusste das, zumal er so, wie er lebte, gar nicht leben wollte. Keine zwanzig und schon Familienvater. Dann starben Lauras Großeltern und sie kam noch seltener. Aus ihr wurde eine schöne Frau, attraktiv, selbstbewusst
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