Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
erleichtert vor, als er sich an den wartenden Mann am Tisch erinnerte.
Bereitwillig folgte ihm Judith. »Hallo, Herr Schmidt. Tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen. Das ist mein Kollege aus Waldau, Herr Dreyer. Berichten Sie uns bitte, wie Sie den Toten gefunden haben.«
Ernst Schmidt seufzte. »Ich hab einige Säcke mit Saatgetreide gesucht. Vor ein paar Wochen, als mal ein bisschen Platz zum Rangieren war, haben wir sie ganz nach hinten gefahren. Die braucht jetzt keiner mehr. Na ja, man kann es noch zum Füttern nehmen. Für fast geschenkt. Und morgen wollte einer kommen und ein paar Säcke holen. Ich bin dann los, um zu gucken, wie wir da wieder ran kommen sollen. Sind ja ziemlich verbaut, die Paletten da hinten. Na und dann lag er da.«
»Und Sie haben ihn gleich erkannt?«, fragte Judith Brunner nach.
»Wie meinen Sie das? Ich kenne den Mann nicht. Wer soll das sein?«
Walter und Judith sahen sich an. Wer hatte Paul Ahlsens identifiziert?
Judith Brunner fragte erst mal weiter: »Und wann genau haben Sie ihn gefunden?«
»Kurz vor Feierabend, also gegen vier. Ich dachte, die paar Säcke schaff ich noch bis Schluss. Nun sitz ich hier!«
»Haben Sie eine Vorstellung, wie der Tote in Ihr Lager kam?«, fragte Dreyer nach.
Ernst Schmidt schüttelte ängstlich den Kopf. Woher sollte er das wissen?
Mehr würden sie fürs Erste nicht erfahren. Sie wussten weder, wann Paul Ahlsens dort hingelegt wurde, noch, ob dies der Tatort war. Was sollten sie den Zeugen weiter fragen?
»Danke, Sie können jetzt gehen. Kommen Sie bitte morgen in die Kreisbehörde, damit wir ein Protokoll anfertigen können, ja? Vielleicht fällt Ihnen ja noch was ein.«
Judith und Walter blieben am Tisch sitzen.
»Ob er schon seit Freitag da liegt?«, fragte Walter.
Judith hob ratlos die Schultern. »Keine Ahnung, vielleicht. Mir ist hier am Samstag nichts aufgefallen.«
Walter stand auf und ging zur Frachttheke. »Wie kommt er wohl da hinten hin? Die Stelle liegt nicht am Weg, zudem verbaut; ist einfach schwer hinzukommen.«
»Wenn ihn jemand da hingeschleppt hat, muss der schon sehr kräftig und zudem geschickt gewesen sein. Einen erwachsenen Mann über Dutzende Europaletten mit Stück- und Sackgut zu schleppen, verlangt schon einiges«, war Judith sicher.
»Lebte er möglicherweise noch?«
»Dann muss der Mörder ihn auf irgendeine Weise vollkommen kontrolliert haben, freiwillig kroch er da sicher nicht hin.«
»Und wenn es nicht Paul Ahlsens ist?«
»Bitte hören Sie auf, Walter. Es ist auch so schon kompliziert genug.«
Er bemerkte Judiths Niedergeschlagenheit und hatte plötzlich das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und ihr die Gewissheit zu geben, dass alles gut wird.
In dem Moment gab Ritter ihm ein Zeichen und rief: »Wir bringen ihn jetzt vor.«
Sie sahen, wie eine flexible Trage über die Paletten gereicht und dann auf den Getreidesäcken abgestellt wurde. Ritter und einer seiner Kollegen verschwanden hinter den Säcken und richteten sich schwer prustend wieder auf, den toten Körper an Schultern und Füßen gepackt. Trotz der beengten Lage gelang es ihnen, die Leiche sanft und ohne Zwischenfall auf der Trage abzulegen. Sie hatten das schon oft getan, und wussten, wo man wie anfassen musste.
Gespannt warteten Judith und Walter, bis das Bergungsunternehmen gelungen war.
Die Trage mit der Leiche wurde vor ihnen abgelegt, unter das gleißend kalte Licht der Leuchtstoffröhren.
»Das ist Paul Ahlsens«, stellte Dreyer sofort sachlich fest.
Judith sah ihn sorgenvoll an.
»Ich kenne ihn schon lange, Judith, glauben Sie mir, er ist es«, bestätigte Walter noch einmal. »Sag mal, Thomas, wer hat ihn eigentlich identifiziert?« Dreyer blickte sich nach Ritter um, doch konnte er ihn nirgendwo entdecken. »Wo ist er hin?«, fragte er verblüfft.
Dann erschien der Gesuchte wieder – hinter dem nächsten Palettenstapel – und hielt triumphierend einen Plastebeutel mit einem Gegenstand hoch. »Heureka, ich hab’s gefunden!«
»Was hast du da?« Gespannt blickte Walter ihm entgegen.
»Ein Messer, und ich wette, wir haben die Tatwaffe! Und identifiziert habe ich ihn, er hatte seine Brieftasche nämlich noch dabei.«
»Nun mal langsam«, mischte Dr. Renz sich ein. »Ich habe ihn ja noch nicht einmal untersucht. Mal sehen.« Er kniete sich neben die Leiche, auf deren Hemd in Brusthöhe deutlich ein dunkler Fleck zu sehen war. Und jeder in der Runde wusste, das war Blut, vor geraumer Zeit
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