Blutbuchen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners erster Fall) (German Edition)
mir wirklich leid.« Immer wenn er diese Worte sagte, meinte er sie auch so. Doch war er sich auch seiner Unzulänglichkeit bewusst, wirklich zu ermessen, was das Leid für den anderen bedeutete. »Können wir reingehen?« Sanft lenkte er den Erschütterten in Richtung auf das Haus zurück und paarweise betraten sie die Diele.
Astrid nahm sich zusammen und wollte wissen: »Wo war er denn? Wo haben Sie ihn nun gefunden?«
Judith wollte schon Auskunft geben, doch erinnerte sie sich an ihre Absprache und überließ Walter die Antwort.
Der sprach leise: »Am Bahnhof.«
»Am Bahnhof? In Gardelegen?«
»Ja«, bestätigte er.
»Auch Laurenz hat man dort ...«
Bevor Astrid den Satz beenden musste, half Walter ihr: »Ja, auch ihn hat man dort gefunden.«
Nun mischte sich Botho Ahlsens in das Gespräch: »Was ist passiert?«
»Können wir uns bitte setzen?«, forderte Walter sanft.
Botho Ahlsens führte sie in den Wintergarten. Er bedeutete allen, Platz zu nehmen. Nun fragte er mit gewonnener Kraft: »Was ist passiert?«
»Er wurde auch ermordet«, versuchte Walter Dreyer, so ruhig wie möglich zu antworten.
»Er auch?« Astrid konnte es nicht fassen. »Was ist hier los?« Ihre Stimme verriet Angst. »Erklärt mir doch bitte, was passiert mit uns?« Sie schluchzte wieder.
»Astrid, wir wissen auch noch nicht viel«, begann Walter, »doch denken wir schon, dass die Verbrechen im Zusammenhang stehen. Deswegen müssen wir uns jetzt, trotz des Schocks, ernsthaft unterhalten.« Walter Dreyer blickte in die Runde und setzte fort: »Wir müssen den Tathergang so schnell wie möglich rekonstruieren. Bitte überlegen Sie noch einmal, was genau hat Paul Ahlsens gesagt, bevor er wegging, und wann genau war das.«
»Sie meinen, er ist auch ermordet worden und wir brauchen jetzt ein Alibi?« Botho Ahlsens schien erst jetzt richtig klar geworden zu sein, was passiert war. »Auch in Gardelegen? Ich war schon wochenlang nicht da, oder?«, er blickte Astrid Hilfe suchend an.
Dreyer begann erneut: »Nein, nein, wir verdächtigen Sie nicht! Wir gehen aber davon aus, dass beide Morde zusammenhängen. Alles andere wäre sehr unwahrscheinlich. Deswegen bitten wir Sie, genau zu überlegen, ob Ihnen etwas einfällt, das Sie bisher noch nicht erwähnten.«
»Wann ist denn der Mord an Onkel Paul geschehen?«, wollte Astrid wissen.
»Das können wir leider noch nicht sagen. Doch ein paar Tage ist es sicher her. Morgen wissen wir Genaueres«, versprach Walter Dreyer ihr.
»Und wir haben nichts geahnt und gedacht, er kommt bald wieder nach Hause.« Astrid begann erneut, leise vor sich hin zu weinen.
Walter Dreyer wandte sich an Botho Ahlsens: »Wir müssen uns sein Zimmer ansehen. Möglicherweise finden wir dort einen Hinweis.«
Bemüht, etwas tun zu können, stand Ahlsens auf und ging voraus.
Judith blieb sitzen, damit Astrid nicht allein bleiben musste. Und um ihr ein paar Fragen stellen zu können, ohne dass ihr Onkel dabei war. Doch bemerkte sie rasch, dass von Astrid heute Abend kaum etwas Brauchbares zu erfahren war, denn ihre Verzweiflung ließ keinen Raum für klares Überlegen.
Judith hörte die Männer ins Obergeschoss gehen. Ob Walter etwas fand?
Astrid saß apathisch auf dem Sofa.
»Möchten Sie etwas trinken? Ich hole Ihnen gern ein Glas Wasser aus der Küche.«
»Wasser? Ja, das wäre gut«, sprach Astrid und versuchte sogar ein Lächeln. »Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie gar nicht gefragt, ob Sie was möchten.«
»Oh, das verstehe ich doch, bleiben Sie bitte sitzen, ich finde mich schon zurecht.« Judith bemerkte erneut, wie schön geräumige Küchen sind. Und diese war besonders hübsch eingerichtet. Nicht kitschig, sondern in einer gelungenen Mischung aus alten Schränken und Regalen sowie modernen und praktischen Küchengeräten. Ein großer Holztisch stand in der Mitte, hier ließ es sich gut arbeiten. Ein kleinerer befand sich direkt vor einem der Fenster, die zum Gutshof hinausgingen. Hübsche Stühle standen an den Stirnseiten und an der freien Längsseite. Blumen in einer kleinen Keramikvase auf der Fensterbank vervollständigten den einladenden Eindruck.
»Das ist mein Frühstücksplatz.« Unbemerkt war Astrid hinzugetreten. »Ich sitze gern dort.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Es ist wirklich sehr schön hier«, lobte Judith Brunner.
»Wissen Sie, jetzt habe ich nur noch Onkel Botho. Wir zwei sind nun ganz allein.«
Astrid Ahlsens wirkte verzagt und auf eine besondere Art verletzlich. So
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