Blutengel: Thriller
bekommen.«
»Mit Bildern von Tattoos?«
»Total spannend, da siehst du das Leben der Leute gleich an dir vorüberziehen.«
»Unsinn«, sagte Mangold.
»Doch. Alte Seeleute mit Ankern und Herzen und meist einem Frauennamen. Dann gibt es die Gelegenheitsreligiösen mit einem Christusbild oder einem Kruzifix …«
»Und die Arschgeweihe.«
»Stimmt«, sagte Lena. »Hatten wir vorgestern erst. Motorradunfall.«
»Tun die Leute dir nicht leid, wenn sie so aus dem Leben gerissen werden?«
»Wenn die erst bei uns durch die Tür gefahren werden, ist es dafür zu spät. Aber ich entschuldige mich immer, wenn ich mit dem Skalpell zugange bin.«
»Könnten wir nicht über was anderes reden?«
»Ich hab’ dich für abgebrühter gehalten. Du bist schließlich bei der Mordkommission.«
Mangold trank einen Schluck Wein. Lena schien heute ausgesprochen mitteilungsbedürftig zu sein.
»Es gibt gut gemachte Tattoos und die versauten. Da gibt’s richtige Künstler, die das machen. Tattoos erzählen von den Leidenschaften, vom Fußballklub und verflossenen Geliebten. Manche haben sogar mehrere Namen auf dem Körper.«
»Ich finde das nicht lustig«, sagte Mangold.
»Doch, doch. Stell dir vor, wir ziehen eine Wasserleiche aus, das heißt, wir schneiden ihr die Klamotten vom Leib, weil sie schon ein bisschen aufgedunsen war, und da steht kurz über ihrer Pussy … na?«
»Interessiert mich nicht.«
»Eingang steht da. Kannst du dir das vorstellen? Eingang! Das ist doch lustig.«
»Meinst du nicht, es ist ein wenig spät für eine Leichenschau?«
»Und du? Ich hab’ gelesen, ihr jagt einen Lateinlehrer.«
»Unsinn.«
Lena holte sich ein Glas aus dem Schrank, bediente sich aus der Weinflasche, warf sich wieder auf die Couch und zog die Beine hoch.
Seitdem sie seine Wohnung aufgeräumt hatte, verhielt sie sich hier wie die Frau des Hauses.
»Ganz vergessen«, sagte sie und sprang in die Küche. Nach ein paar Sekunden kehrte sie mit einer Tüte zurück, die Mangold noch nie gesehen hatte.
»Was ist das?«
»Ich hab’ heute in der Mittagspause eingekauft und das Zeug schon mal in deinen Schrank geräumt.«
»Erdnussflips?«, fragte Mangold angeekelt.
»Siebziger Jahre«, sagte Lena. »Das Zeug schmeckt wie die Füllung eines Sofakissens, aber ich muss diese Zeit verstehen lernen.«
»Andere Musik«, sagte Mangold.
Jetzt verzog Lena das Gesicht.
»Also, was ist jetzt mit eurem mörderischen Schriftsteller, was bedeuten diese lateinischen Sprüche?«
Mangold kapitulierte und berichtete in groben Zügen von seinem neuen Fall. Vera würde sich Details verbeten haben, Lena bohrte beharrlich nach.
»Und du bist jetzt Chef einer Sonderkommission Serienmord?«, fragte Lena.
»Ist doch egal, wie das heißt.«
»Ist es nicht. Wenn das Kind einen Namen hat, dann fängt die Verantwortung doch erst an. Es gibt also einen Zusammenhang mit Pflegediensten?«
»Wir stehen erst am Anfang.«
»Was man von dem Mörder nicht gerade sagen kann. Drei Morde und jedes Mal die gleiche Handschrift.«
Wenn Wirch erfuhr, dass er hier mit einem überdrehten Teenie über seine Arbeit sprach, würde er die längste Zeit Leiter der Sonderkommission gewesen sein.
»Hinweise auf Pflegedienste?«, wiederholte sie.
»Nur sehr vage.«
»Würde passen«, sagte Lena. »Gestern haben wir eine Leiche reingekriegt, die schon im Krematorium auf die Einäscherung wartete. Ein Familienmitglied hat durchgesetzt, dass die Tote untersucht wird.«
»Und was ist dabei rausgekommen?«
»Keine Ahnung. Das sind alles Geheimniskrämer, diese Pathologen. Wie wär’s denn damit: Tanja Binkel deckt einen Pflegeskandal auf und wird von einem schwarzen Engel an die Decke gehängt.«
»Schwarzer Engel?«
»Passt doch. Diese Mörder aus dem Pflegebereich werden manchmal so genannt. Solltest du eigentlich wissen. Die meisten behaupten später, sie hätten aus Mitleid getötet. Glaub’ ich aber nicht.«
»Oha, jetzt kommt ein psychiatrisches Fachgutachten.«
Lena ließ sich nicht irritieren. Sie nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas und sagte: »Ich glaube, die suchen sich extra einen Job in den Pflegeheimen.«
»Und warum?«
»Weil ihre Taten da nicht so auffallen.«
»Eine heiße These.«
»Man sollte sich jeden Pfleger, jede Pflegerin genau ansehen«, sagte Lena.
»Und natürlich jeden Leichnam.«
»Unbedingt.«
»Und das wird jetzt nicht etwa ein Beschäftigungsprogramm für Pathologen?«
Lena schob mit den Fingern eine Haarsträhne zur
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