Blutengel: Thriller
Täter sein, dann war er womöglich in Eile. Oder aufgeregt«, warf Kaja ein.
Hensen blätterte in seinem Skizzenblock zurück, bis er die Tatortzeichnung aus Florenz fand.
»Warum dann dieses gelbe Absperrband um den Leichnam? Und der aufgerissene Mund? Außerdem passen die Initialen F und B nicht dazu.«
Peter Sienhaupt sah betrübt auf den Ausdruck mit dem Velázquez-Gemälde, das Hensen an Mangold weiterreichte.
»Papst Innozenz … Papst Unschuld«, sagte Hensen.
Kaja räusperte sich und sagte:
»Wenn einer seinen Priestervater umbringt, könnte das passen. Auch der Spruch ›Gib uns Frieden‹, der in seinen Oberschenkel geritzt war, spricht für eine späte Abrechnung.«
Tannen rief in seinem Notebook den Mediaplayer auf.
»Ich hab’ mit der Notebook-Kamera ein Video gemacht«, sagte Tannen und drehte den Bildschirm zu Mangold. »Dieses Bild ist wirklich zu harmlos.«
Als Mangold die Aufzeichnung vom Tatort sah, verzog er angeekelt das Gesicht.
»Wie kann man so etwas tun?«, sagte er.
Interessiert sah sich Sienhaupt das Video an und trommelte dazu nervös auf die Tischplatte.
Der Savant hievte sich aus dem Knautschsessel und zog das Notebook zu sich heran. Tannen wollte protestieren, doch Mangold hielt ihn zurück.
Kurz ließ Sienhaupt beide Hände über die Tastatur schweben, dann begann er etwas einzugeben.
»Er tippt mit zehn Fingern«, raunte Kaja. »Dafür, dass er erst vor ein paar Monaten seinen ersten Computer in die Hand bekommen hat … unglaublich!«
Ohne seine Tipperei zu unterbrechen, sah Sienhaupt sie freundlich lächelnd an und konzentrierte sich dann wieder auf die Tastatur.
Sienhaupt bewegte seine Finger mit atemraubender Geschwindigkeit. Plötzlich hielt er inne, wog den Kopf hin und her und gab mit Hilfe von Sonderzeichen eine Formel ein.
»Was soll das?«, fragte Mangold Tannen, der hinter den Autisten getreten war.
»So genau weiß ich das nicht. Er hat ein Bild mit der Leiche gescannt, daraus eine Formel berechnet, und die schickt er jetzt durch die Quelltextdateien.«
»Erklären Sie es mir später«, sagte Mangold.
Mangold konnte erkennen, wie Hensen in sich hineingrinste. Die Brille rutschte Sienhaupt von der Nase, und Schweiß perlte über seine Stirn. Kein Zweifel, er war hoch konzentriert.
»Jetzt erweitert er die Bild-Datenbanken, durch die seine Formel läuft«, sagte Tannen. »Er wandelt alles in mathematische Gleichungen um.«
»Mein Partner ist eben ein gründlicher Mensch«, sagte Weitz.
Tannen wollte etwas erwidern, doch Mangold unterbrach ihn.
»Wie lange wird das dauern?«
»Schwer zu sagen, kommt drauf an, welche Rechnerressourcen er durch das Netz jagt …«
»Er arbeitet wieder mit irgendwelchen Rechenzentren?«
»Da müssen Milliarden von Dateien durchforstet werden«, sagte Tannen.
Ein Lächeln huschte über Sienhaupts Gesicht. Interessiert betrachtete er, was er dort vor sich auf dem Bildschirm sah, und heulte kurz auf. Dann stieß er Tannens Notebook von sich weg.
Hensen reckte den Hals und sagte: »Darauf hätte ich auch kommen können. Francis Bacon, irischer Maler.«
Mangold hatte selten ein so furchteinflößendes Bild gesehen.
Der Papst war mit einem weißen Rock und einem lila Überwurf bekleidet, der Mund qualvoll aufgerissen. Eine Gestalt, die durch einen schwarzen Vorhang in ihre Welt blickte. Sein Stuhl war mit gelben Seilen umspannt.
»Bacon war nicht gerade ein Freund der Päpste«, sagte Hensen.
»Amputierte Glieder, Deformationen, oft wurden die Personen auf seinen Bildern in Käfige oder Aquarien gepfercht.«
»Da hat sich Binkel ja genau das richtige Vorbild ausgesucht«, sagte Weitz. »Das passt doch vollkommen. Der hat sogar entstellte Kinder gemalt. Chef, wenn Sie mich fragen …«
»Aber wie kommt der mal eben nach Florenz, häh?«, sagte Tannen zu Weitz. »Wenn er gleich mehrere Tage verschwunden gewesen wäre, dann müsste das im Krankenhaus aufgefallen sein!«
»Vielleicht hat er sich vertreten lassen, von seinem Kumpel Nicolai. Und weil der das nicht für sich behalten wollte …«
»Unsinn«, sagte Mangold. »Trotzdem brauchen wir ihn schnellstens hier im Präsidium.«
»Ich hänge ihm schon an den Fersen«, sagte Weitz. »Vielleicht sollte ich mich gleich …«
»Sie haben vorher eine Besprechung mit der Internen. Glauben Sie nicht, dass ich Ihnen ein Entschuldigungskärtchen schreibe«, sagte Mangold.
Tannen rief auf seinem Notebook die Wikipedia-Seite auf.
»Passt alles. Francis Bacon. Als Sohn
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