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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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hineingetappt, zieht sich so eine Schlinge immer fest zu, sodass sich die Tiere nicht mehr daraus befreien können. Zumindest nicht unversehrt …
    D ieser Hurensohn! Zum zweiten Mal hatte er jetzt versucht, Coltan aus dem Lager zu schmuggeln. Crocodile blickte ungerührt auf den Schürfer, der sich vor ihm im Dreck krümmte. Sein linkes Auge war nur noch ein schmaler Schlitz, aus einer Platzwunde am Kopf sickerte Blut, das am Hals zu einer dunklen Kruste trocknete. Er nahm Maß und versetzte dem zitternden Mann einen Tritt gegen die Rippen. Der gellende Aufschrei seines Opfers ließ ihn zufrieden nicken. Seine Männer hatten ihm ein paar Rippen gebrochen. Das war schmerzhaft, würde ihn aber nicht vom Arbeiten abhalten. Die wöchentliche Schürfgebühr von zwei Teelöffeln Coltan war in drei Tagen fällig. Und der Bastard würde sie bestimmt bezahlen. Mudaku sog den Rauch seiner Zigarette genussvoll ein und schnippte den glühenden Stummel achtlos auf den Boden. Die goldene Uhr an seinem Handgelenk blitzte in der Sonne auf.
    »Was steht ihr hier rum und glotzt blöd? Habt ihr nichts zu arbeiten?«
    In die umstehenden Creuseurs, die Buddler, Gräber und Schürfer der Mine kam Bewegung. Zwei halfen ihrem wimmernden Kumpel auf die Beine, nahmen ihn in die Mitte und schleppten ihn unter dem höhnischen Gelächter von Crocodiles Männern zu den Baracken. Die aus Holz und Bambus gezimmerten und mit zerfetzten Plastikplanen behelfsmäßig abgedeckten Hütten drängten sich zu Dutzenden im hintersten Winkel des Camps. Die Übrigen nahmen ihre Schaufeln und Grabstöcke und zerstreuten sich unter den Blicken der bewaffneten Rebellen auf dem weitläufigen Areal.
    Alles ging wieder seinen gewohnten Gang. Mudaku gab seiner Leibgarde ein Zeichen und sie setzten ihren Weg zur Kontrollstation fort. Der schlammige Pfad führte sie vorbei an aufgerissenen Hügelflanken, Kuhlen und Gruben, in denen Hunderte gebückt im weichen Fels nach dem Erz stocherten. Ein schmaler Fluss schwemmte die wertlose Erde, die von unzähligen Händen ausgesiebt wurde, wie ein braunes Band in den Dschungel.
    Crocodile und seine Männer machten sich die Schuhe nicht schmutzig, dafür sorgte ein primitiver Holzsteg, der über die braune Brühe führte. Schon von weitem konnten sie die lange Schlange, die sich vor dem Tisch mit der Balkenwaage gebildet hatte, sehen. Crocodile grunzte zufrieden beim Anblick der schlammverkrusteten Männer, die in ihren Gummistiefeln und Plastiksandalen geduldig warteten, bis ihre Ausbeute der letzten Tage gewogen wurde. Zwei AK 47 hinter dem Buchhalter sorgten dafür, dass niemand auf dumme Gedanken kam. Wer sein Coltan dem Russen verkaufen wollte, musste erst an diesem Posten vorbei und Steuern zahlen. Pro Kilo gefördertem Erz war ein »le gosse« fällig – eine kleine Kondensmilchdose voll mit dem grauen Kies, nach dem alle gierten. Auf dem internationalen Markt wurde ein Kilo Coltan für bis zu achthundert US-Dollar gehandelt. Heute erzielte das High-Tech-Mineral zwar deutlich weniger, aber lukrativ war das Geschäft immer noch. Crocodile warf einen Blick auf seine protzige Uhr. In drei Stunden würde Dimitri, der Russe, mit dem Helikopter landen. Der Mann aus Bukavu hatte dieses Mal eine besondere Fracht an Bord: zehn brandneue Panzerfäuste. Bei diesem Gedanken entblößte Crocodile eine Reihe makelloser weißer Zähne. Dieses Geschäftsmodell war genau nach seinem Geschmack. Er musste keinen Finger krumm machen. Dimitris Auftraggeber scherten sich wenig um das UN-Waffenembargo. Ihm war das nur recht. Er hatte nichts gegen gute alte Tauschgeschäfte.
    Francois, sein jüngerer Bruder und Stellvertreter, hielt ihm das Satellitentelefon unter die Nase.
    »Für dich, mon General!«
    »Ist es der Russe?«
    Francois schüttelte den Kopf. Verärgert riss ihm Mudaku das Telefon aus der Hand und knurrte eine unfreundliche Begrüßung in den Lautsprecher. Abrupt drehte er sich um und ging ein paar Schritte den Weg entlang, der in Richtung des Helikopter-Landeplatzes führte. Francois postierte sich mit verschränkten Armen in der Mitte des Trampelpfads und ließ niemanden durch. Die Schürfer, die bereits ihre Steuern gezahlt und den Kontrollposten passiert hatten stellten ihre Makakos, die Tragegestelle aus Lianen, auf den Boden. Sie konnten nicht weiter. Bis zum Landeplatz war es fast eine Stunde Fußmarsch durch den Dschungel. Wenn sie nicht rechtzeitig ankamen, konnten sie ihr Coltan nicht an den Russen verkaufen – ein

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