Bluterde
Herrgottsfrühe mit der Lieferung weggeschafft.«
»Gut.«
General Basabo legte auf und nahm einen Schluck aus seiner Teetasse, bevor er einen Anruf von seinem Prepaid-Handy machte.
Lea wollte es sich gerade neben Ado bequem machen, als sie die Veränderung spürte. Das Rütteln hatte nachgelassen, der LKW musste langsamer geworden sein. Fast zeitgleich tauchte der Cowboyhut auf, dieses Mal war die Maschinenpistole direkt auf ihren Kopf gerichtet. Im Halbdunkel meinte Lea zu erkennen, dass ihr Bewacher einen Zeigefinger an die Lippen führte. Sie nickte, um ihm zu signalisieren, dass sie verstanden hatte, und fragte sich, was da draußen los war. Standen sie an einer Ampel? Nein, deswegen würde der Cowboy keinen Aufstand machen. Was dann? Wenn sie ihr Gefühl nicht trog, waren sie noch keine halbe Stunde unterwegs, seit sie das Lagerhaus verlassen hatte. Oder hatte sie über den Schrecken der letzten Tage schon völlig ihr Zeitempfinden verloren? Draußen wurde es plötzlich laut. Stimmen, das Aufeinanderklatschen von Plastik, ein Luftzug. Es wurde eine Spur kühler im LKW. Zwei Männer sprachen miteinander. Der Cowboyhut rührte sich nicht vom Fleck und fixierte sie mit wachsamen Augen. Wieder dieses Geräusch von Plastik. Jetzt verstand Lea, dass jemand die Plane geöffnet und in das Innere des Lastwagens geklettert war. Jemand, den sie auf sich hätte aufmerksam machen können, würde sie nicht die Mündung einer Waffe davon abhalten. Als sich der LKW wieder in Bewegung setzte, wusste sie, dass die Gelegenheit verstrichen war. Keiner hatte sie hinter der Wand aus Coltansäcken bemerkt. Jemand hatte wohl die Ladung kontrolliert. Das konnte die Polizei sein oder … Grenzposten! Natürlich! Sie schafften das Coltan aus dem Kongo. Und mich gleich dazu, dachte sie. Lea war bewusst, dass sowohl die Grenze zu Ruanda als auch Burundi nur einen Katzensprung von Bukavu entfernt war. Sie hatte Angst. Selbst jemand wie McAllister würde Mühe haben, ihre Spur bis über die Grenze zu verfolgen. Sie drückte sich näher an Ados Käfig, ihre Finger suchten die tröstende Wärme seines Fells. Deprimiert saß sie neben dem kleinen Gorilla, während ihr Steißbein jedes Schlagloch schmerzhaft spürte und die Wände ihres Gefängnisses im Takt mitwackelten. Lea wusste nicht, wie lange sie schon auf die dicht gedrängten Säcke starrte, bis sie registrierte, dass die Konturen sich schärfer abzeichneten. Sie hob den Kopf und nahm den hellen Schimmer wahr, der zaghaft durch die Plane drang. Neuer Tag, neues Glück, dachte sie und lachte zynisch. Ihr Magen knurrte. Egal, was passierte, ihr Körper forderte sein Recht auf Nährstoffzufuhr ein. Angewidert musterte sie die Banane mit den schwarzen Flecken, die neben ihr auf dem Boden lag. Widerwillig riss sie die Schale auf, stopfte sich das matschige Fruchtfleisch in den Mund und spülte mit Wasser nach. Den Rest schob sie Ado zwischen die Lippen, der sie mit glänzenden Augen ansah. Obwohl der LKW bedenklich schwankte, stemmte sie sich auf die Beine. Selbst im Stehen konnte sie nicht über den Rand der Wand blicken, aber ihr Geruchssinn meldete, dass der Cowboy immer noch in der Nähe war. Oder war sie es selbst, die diesen strengen Geruch verströmte? Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt sich, so gut es ging, an der Ladung fest. Ihr Blick glitt über ein Meer aus braunen Säcken. Ganz vorne, dort, wo die Plane die Fracht vor neugierigen Blicken abschirmte, sah sie den Cowboyhut. Gleich daneben bewegte sich ein schwarzes Barett in der Luft. Es sah aus, als ob zwei Geister im angeregten Gespräch vertieft waren. Er war also nicht allein. Lea war enttäuscht. Was hatte sie gedacht? Dass sie den Cowboy überwältigen und mit Ado aus dem fahrenden LKW springen konnte? Mit gefesselten Händen irgendwo in Ruanda oder Burundi? Sensationelle Idee. Sie stöhnte laut über ihre eigene Dummheit und erkannte ihren Fehler in dem Moment, als wütende Augen unter dem Cowboyhut auftauchten. Mit einem Satz hechtete sich ihr Bewacher auf die Ladung und robbte geschickt wie eine Echse auf sie zu. Lea machte ein paar Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken an die Fahrerkabine stieß. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sein Gesichtsausdruck genervt oder gelangweilt wirkte. Als er mit seiner Waffe auf sie zielte, hob sie instinktiv die Hände.
»Ist gut, ist gut!«, hörte sie sich sagen, mit einer Stimme, die nicht die ihre war.
»Paff! Paff, paff, paff!«
Die Laute platzten
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