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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ob sie darin irgendetwas übersehen hatte. Gillian Royle war nach ihrer zweiten Therapiesitzung gerade gegangen. Oberflächlich gesehen schienen sie Fortschritte zu machen. Gillian nahm ihre Medikamente und merkte bereits einen Unterschied, was das Schlafen betraf. Außerdem hatte sie ein erstes Treffen mit den Anonymen Alkoholikern arrangiert. Sie behauptete sogar, sie bemühe sich zu essen. Jede Menge Punkte, die mit einem Häkchen versehen werden konnten. Aber irgendetwas schien nicht recht zu stimmen.
    Seit sie ihre Zulassung als Psychiaterin bekommen hatte, hatte Evi mit vielen Menschen gearbeitet, denen es schwerfiel, sich mit einem Verlust abzufinden. Sie hatte etliche Patienten behandelt, die Kinder verloren hatten; Gillian Royle jedoch war etwas ganz Neues. In Gillians Kopf spielte sich mehr ab als nur Trauer um ihre Tochter, da war Evi sich sicher. Ihr Schmerz war zu frisch, zu intensiv, wie ein Feuer, das ständig geschürt wurde. Ein grässliches Bild unter diesen Umständen; trotzdem, irgendetwas stand Gillians Genesung im Weg und hinderte sie daran, das Geschehene hinter sich zu lassen.
    Evi war schon oft belogen worden. Sie merkte es, wenn ein Patient ihr nicht die Wahrheit sagte; sie merkte auch, wenn ihr jemand nicht alles erzählte.
    Aufmerksam las sie den Zeitungsartikel ein zweites Mal durch. Heptonclough steht unter Schock … Diesen Teil hatte sie bereits mehrmals gelesen, da gab es nichts Neues zu entdecken … Brand könnte von einer vergessenen Gasflamme verursacht worden sein … Wenn Gillian den Herd angelassen hatte, wäre sie streng genommen an dem Feuer schuld gewesen. Quälte sie sich mit Schuldgefühlen?
    Während der vorangegangenen Sitzung mit Gillian hatte Evi die junge Frau nach ihrer Kindheit gefragt, das war das übliche Vorgehen. Es war nicht gut gelaufen. Sie spürte Spannungen in Gillians Beziehung zu ihrer Mutter und fragte sich, ob mangelnde Unterstützung seitens ihrer Eltern vielleicht zu Gillians Zusammenbruch nach Hayleys Tod beigetragen hatte. Gillian hatte kurz von einem toten Vater gesprochen, an den sie sich kaum erinnerte, und dann hatte sie einen Stiefvater erwähnt, der etliche Jahre später auf der Bildfläche erschienen war. Evi ließ noch immer den Blick über den Artikel auf ihrem Bildschirm wandern. Diese jüngste Tragödie ereignete sich kaum drei Jahre, nachdem ein weiteres Kind aus Heptonclough spurlos verschwunden war, die kleine Megan … Von hier an wurde ein anderer Vorfall abgehandelt, und Evi schloss die Seite.
    Je mehr sie Gillian nach ihrer Kindheit befragt hatte, desto erregter war die junge Frau geworden, bis sie sich schließlich rundheraus geweigert hatte, weiter darüber zu reden. Was an und für sich schon interessant war. Akute Zustände wie der Gillians waren nach Evis Ansicht nur selten auf einen einzigen Grund zurückzuführen. Was oft der Hauptgrund zu sein schien – in diesem Fall der Verlust eines Kindes –, war nur allzu oft lediglich der Auslöser, der letzte Tropfen in einer Reihe von Ereignissen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Über Gillian gab es noch eine Menge zu erfahren.

8
     
    »Joe?«
    Es war Freitagnachmittag, und die Jungen waren eben erst aus der Schule gekommen. Alles in allem war es keine allzu schlechte Woche gewesen. Dank Harry, dem neuen Vikar, hatte Jake Knowles wegen des Kirchenfensters einen gewaltigen Anpfiff bekommen, und zumindest fürs Erste ließ er Tom in Ruhe.
    Tom wanderte durch die Räume im Erdgeschoss und überlegte, wo Joe steckte und ob er ihn wohl würde überreden können, sich ins Tor zu stellen, während er Torschüsse übte. Als er durch die offene Hintertür Stimmen hörte, stemmte Tom sich auf dem Küchentresen hoch und sah seinen Bruder auf der Mauer zwischen ihrem Garten und dem Kirchhof sitzen. Er schien sich mit jemandem auf der anderen Seite zu unterhalten. Tom nahm den Ball und ging hinaus.
    »Achtung, Joe!«, rief er von der Tür aus und kickte den Ball in Richtung seines Bruders. Joe blicke erschrocken auf, und der Ball segelte über seinen Kopf hinweg und verschwand.
    Tom rannte zur Mauer und sprang hinauf. Sie war zwar hoch, aber alt, und das Erdreich dahinter hatte den unteren Teil in den Garten der Fletchers hineingebeult. Ein paar Steine fehlten, und die Lücken boten Händen und Füßen reichlich Halt. Trotzdem hatte Tom noch nie erlebt, dass Joe ganz allein dort hinaufgeklettert war.
    Als er oben ankam, wurde ihm klar, dass er und sein Bruder direkt über Lucy Pickups

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