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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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sollten nichts erzählen, und sie taten es nicht. Kinder taten, was Erwachsene ihnen sagten.
    »Hat er Sie bedroht?«, fragte sie.
    Jenny kam abermals auf sie zu. Jetzt merkte Evi, dass sie getrunken hatte. »Er hat mehr getan, als uns zu drohen«, antwortete sie. »Er hat uns im Mausoleum eingesperrt. Bei all den Steinsärgen. Sogar nachdem unsere Mutter dort bestattet worden war, hat er uns da drin eingeschlossen. Oder er hat uns die Treppe raufgetragen, auf die Empore in der Kirche oder auf den Tor und hat uns über den Rand gehalten, manchmal nur an einem Knöchel. Wir müssten ganz brav sein, hat er gesagt, sonst würde er loslassen. Ich weiß, dass er das auch mit Christiana gemacht hat. Sie hat wahnsinnige Höhenangst.«
    Evi versuchte, das Bild in ihrem Kopf wegzublinzeln. »Sie müssen doch furchtbare Angst gehabt haben.«
    »Ich habe nie geschrien, Evi, das hatte keinen Sinn. Ich hab’ nur die Augen zugemacht und überlegt, ob es jetzt passiert, ob er heute loslässt und ich den Luftzug fühlen würde und wissen würde, dass es vorbei ist.«
    Sie hatte sich geirrt. Sie hatte Gillian beschuldigt und damit falschgelegen. Sie hatte Harry und Gareth auf eine sinnlose Suche geschickt, und jetzt lag Gillian vielleicht im Sterben, Tom und Joe waren verschwunden, und Alice – wo war Alice?
    »Jenny«, fragte Evi, »hat Ihr Großvater die Kinder umgebracht? Hat er Joe entführt?«
    Zieh die Kette hoch. Es war nicht nötig, an irgendetwas anderes zu denken. Die Kette hochziehen und zu dem Gott beten, der ihn verlassen hatte, dass nichts an ihrem Ende hing. Nicht zu Gareth hinüberschauen, der kurz davor war, völlig die Nerven zu verlieren, möglicherweise war es bereits so weit. Das einzig Vernünftige war, sie beide hier rauszuschaffen, bevor einer von ihnen draufging, nur wusste Harry, dass er das niemals tun würde. Also die Kette hochziehen, weil sie so weit gekommen waren. Jetzt mussten sie es wissen.
    Die Kette war in Bewegung, kam mit jeder heftig gezerrten Armlänge herauf, doch am anderen Ende hing etwas Schweres. Mit dem rechten Arm ziehen, sie mit dem linken vorsichtig über den Rand führen, nicht denken, einfach immer weitermachen. Etwas scharrte an der Wand des Schachts entlang, etwas blieb hängen, machte das Hochziehen schwerer, etwas kam näher.
    Harrys Armmuskeln schrien protestierend auf, und noch immer wusste er nicht, wie viel von der Kette es noch heraufzuzerren galt. Noch zwanzig Mal, dann würde er eine Pause einlegen müssen. Zugleich war er sich nicht sicher, ob er zwanzig schaffen würde. Noch zehn, noch sieben … mehr waren nicht nötig. Eine große Segeltuchtasche mit schwerem, altmodischem Reißverschluss war am Ende der Kette festgehakt. Ohne innezuhalten, um nachzudenken oder sich auszuruhen, zog Harry sie auf den Steinboden der Hütte, streckte die Hand aus und öffnete den Reißverschluss.
    Augenhöhlen – leere Augenhöhlen – waren das Erste, was er erblickte.
    Tom blinzelte. Schnee wehte ihm in die Augen, und er konnte wirklich nicht besonders gut sehen. Aber er sah definitiv den Mond vor sich, der durch das Mauerwerk des nordöstlichen Glockenturms schien. Er riskierte es, den Kopf zu drehen. Der Mond hing über seiner Schulter. Zwei Monde? Ebba war jetzt ganz dicht bei dem Turm, krabbelte an die eine Seite und sah sich um. Sie wartete auf ihn. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Der Hubschrauber war doch heute mehrmals über die Kirche geflogen. Wegen der kleinen Dächer auf den Glockentürmen hatte die Crew nicht in die Türme selbst hineinschauen können, aber der Helikopter hatte doch einen Wärmesucher, er hätte einen warmen Kinderkörper entdeckt.
    Ebba winkte ihn vorwärts.
    Die Kirche war voller Menschen gewesen. Als der Hubschrauber seine Suche begonnen hatte, hatte die Polizei alle Helfer vom Moor abgezogen, und sie waren alle in die Kirche gegangen. Fast zweihundert Leute waren in dem Gebäude gewesen, als der Helikopter gesucht hatte. Zweihundert warme Leiber. Wo versteckt man eine Stecknadel? In einem Heuhaufen. Jetzt war Tom nahe genug, um den Glockenturm zu berühren, um die Hand zwischen den Säulen hindurchzustecken, die an jeder Ecke aufragten. Er streckte den Arm aus und sah das Spiegelbild seiner Hand auf sich zukommen, sah sein eigenes Gesicht in den Spiegelkacheln, die zwischen den Säulen angebracht waren und einen kleinen Verschlag auf dem Kirchendach bildeten, gerade groß genug, um …
    »Soll ich Ihnen sagen, was das Schlimmste war, Evi? Das

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