Blutfehde
ihres Hauses überhaupt schon jemals gesehen hat oder ob sie wusste, dass im Keller Handwerker arbeiten, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie ihnen nächstes Weihnachten ein gutes Trinkgeld gibt.«
»Wie war die Fahrt nach Uptown?«
»Ich hätte nie gedacht, dass menschliche Tränendrüsen so viel Flüssigkeit produzieren können. Sie hörte nicht auf zu heulen.«
»Habt ihr noch geredet, bevor ihr Mann nach Hause kam?«, fragte ich.
»Alex, diese Frau war so damit beschäftigt, über die Zukunft ihrer Ehe, ihrer Kinder und ihres Lebens nachzudenken, dass ich sie nicht ernsthaft befragen konnte.«
»Hast du denn gar nichts aus ihr herausbekommen?«
»Anscheinend hatte sie ihren Mann ein paar Monate vorher in flagranti ertappt. Sie machten eine Zeitlang eine Paartherapie, waren aber beide zu steif, um mit dem Therapeuten über ihre Probleme zu reden.«
»Also hat Kate den direkteren Weg gewählt«, sagte Mike und schwenkte die Eiswürfel in seinem Wodkaglas. »Sie hat es ihm heimgezahlt. Wahrscheinlich war sie schon seit der Highschool auf Brendan scharf. Auf diese stillen Mäuschen muss man aufpassen. So übellaunige Emanzen wie Coop lassen hin und wieder mal die Sau raus, aber überlegt mal, wie lange es sich schon in der anständigen Mrs Meade aufgestaut hat. Da wird manch eine Nonne, die ihr Mathe, Manieren und Moral beibrachte, heute Abend beim Rosenkranzbeten Überstunden einlegen müssen. «
»Was ist passiert, nachdem Preston nach Hause kam?«, fragte ich.
Ich hielt eine Hand über die Ohrmuschel und beugte mich zu Mercer über den Tisch, um seine Antwort zu hören. Das Stimmengewirr an der Bar hinter mir wurde durch die Geräusche einer Schar neu angekommener Gäste unterlegt, und von draußen war plötzlich Sirenengeheul zu hören.
Mike zog die weiße Gardine zurück und schaute durch das Fenster. »Die Feuerwehr.«
»Was hast du gesagt?«, fragte ich Mercer erneut.
»Warte, bis sie vorbei sind«, sagte er und zeigte aufs Fenster.
Aber der Lärm ließ nicht nach. Ich hob den Vorhang auf meiner Seite und sah einen riesigen, roten Feuerwehrwagen, der wegen einiger Autos, die die Kreuzung blockierten, nicht weiterkam. Sein Sirenengeheul wurde von einem Hupkonzert beantwortet, sodass Mike, durch die ständig wachsende Zahl von Streifen- und Krankenwagen neugierig geworden, aufstand und zur Tür ging.
Gerade als er sein Handy aufklappte und eine Taste drückte - wahrscheinlich die Kurzwahltaste für sein Büro -, begann auch Mercers Pager zu vibrieren.
Mercer nahm den Pager von seinem Gürtel und sah stirnrunzelnd auf das Display. »1033.«
Ich kannte die meisten Notrufnummern der New Yorker Polizei nur allzu gut: von der 1013, der dringenden Bitte eines Kollegen um Verstärkung, bis zur vertrauten 1034, die einen Überfall signalisierte.
Ich griff nach Mercers Arm, als er vom Tisch aufstand. »Was ist los?«
»Vielleicht eine Bombe, Alex. Es wird eine Explosion gemeldet.«
Mike hielt sich ein Ohr zu, lauschte seinem Telefon und drehte sich dann zu Mercer um. »Eine große Explosion in Midtown, irgendwo in den West Thirties. Bring Coop nach Hause, ja? Sie muss morgen früh frisch und munter sein, um das heutige Fiasko wettzumachen. Ich muss los. Meine ganze Einheit ist mobilisiert.«
Ich hätte erwartet, nach diesem Tag kein Adrenalin mehr im Körper zu haben, aber jetzt begann es wieder durch meine Adern zu pumpen. »Das liegt doch nicht einmal in deinem Zuständigkeitsbereich. Das gehört zu Manhattan South.«
Die schrecklichen Ereignisse des elften September hatten sich in mein Gehirn eingebrannt, und ich wusste, dass Mike sich für seinen Job nur allzu bereitwillig in Gefahr begab.
»Sie trommeln die gesamte Terror-Taskforce zusammen. Könnte ein Anschlag sein. Trink noch einen kräftigen Schluck Scotch, Kid, und geh nach Hause!«
7
Ich konnte kaum mit Mercers langen Schritten mithalten, als wir uns zu seinem Zivilfahrzeug in der 64. Straße vorarbeiteten, damit er mich die kurze Strecke nach Hause fahren konnte.
Die Fußgänger schienen nicht weiter auf die vielen Rettungsfahrzeuge zu achten, die in südlicher Richtung vorbeifuhren, aber aus den Bars strömten die Menschen, die auf den dort eingeschalteten Fernsehgeräten offensichtlich dieselben Nachrichten hörten wie wir im Radio.
Der Nachrichtensprecher forderte die New Yorker auf, Ruhe zu bewahren und weitere Informationen abzuwarten. Über uns kreisten mit lautem Geknatter Polizeihubschrauber, die ihre
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