Blutfehde
dass sie Brendan auch so haben konnten, ohne sich mit seiner schäbigen Verwandtschaft abgeben zu müssen. Und ihm schien es auch ganz gut in den Kram zu passen.«
»Haben Sie Amanda bei der Hochzeit kennen gelernt?«, fragte ich.
Trish räusperte sich und trank einen Schluck Wasser. »Nein, ungefähr ein Jahr vor der Hochzeit, als Brendan und Amanda sich verlobten. Er rief meine Mutter an und lud sie - sie und mich - zum Mittagessen ein, um uns Amanda und Mrs Keating vorzustellen. Ich war damals fünfzehn und natürlich total aufgeregt. Ich glaubte tatsächlich, das wäre die Chance, unsere Familien zusammenzubringen, unser Verhältnis zu verbessern. Wir wollten uns im Boathouse im Central Park treffen, direkt am Wasser, im Frühjahr ist es dort so schön. Ich war überzeugt, dass wir mit dieser Einladung Brendan zurückbekommen würden. Zwei Tage vor dem Essen kam ein Päckchen von Brendan. Ich sehe heute noch vor mir, wie Mama das braune Packpapier aufriss. Zwei hellrote Schachteln, mit weißen Satinbändern umwickelt, von einem Kaufhaus in der Stadt, in das ich mich nie gewagt hätte. In der einen Schachtel war ein teures Strickkostüm mit Goldknöpfen und grob gewebten Borten für meine Mutter und in der anderen ein hübsches gelbes Kleid für mich, seidenweich und über und über mit Spitzen verziert.«
»Sie sollten die Sachen zu dem Mittagessen tragen?«
»Das hatte Brendan sich so gedacht. Mein Vater flippte aus, als er es sah. Er sagte zu meiner Mutter, dass sie entweder nackt in den Park gehen könne oder gar nicht, wenn ihre eigenen Klamotten für Mrs Keating nicht gut genug waren.«
»Also fand das Mittagessen nicht statt«, sagte Mike.
»Mama ging nicht hin. Mein Vater ließ sie nicht gehen.« Trish biss sich auf die Lippe und starrte auf ihr Whiskyglas. Dann schüttelte sie sich und lächelte in Gedanken an diesen Tag, der schon so viele Jahre zurücklag. »Kaum war mein Vater zur Arbeit gegangen, zog ich das gelbe Kleid an und schlich mich aus dem Haus, um mich mit meiner besten Freundin zu treffen, weil wir uns diese Amanda doch mal ansehen wollten. Wir schwänzten die Schule und nahmen den Zug nach Manhattan, damit ich zu dem Mittagessen gehen konnte. Ich gab Bex - meiner Freundin Rebecca - ein paar Dollars, damit sie ein Ruderboot mieten konnte, um mich mit Brendans neuer Familie zu sehen. Als würde das alles wirklicher, wenn sie mich mit ihnen sah.«
»Wie lief’s?«, fragte Mike.
»Brendan war so nervös - wahrscheinlich meinetwegen - dass ich dachte, er würde jeden Moment einen Anfall bekommen. Ich achtete sehr auf mein Benehmen und überlegte mir genau, was ich sagte.« Trish grinste und drehte ihr Glas in den Händen. »Mrs Keating war sehr nett zu mir. Richtig herzlich. Amanda hatte nur Augen für Brendan. Als er Bex nur ein paar Meter von unserem Tisch entfernt in dem Ruderboot entdeckte, war er wie versteinert, wahrscheinlich dachte er, wir würden irgendetwas tun, um ihn zu blamieren. Eine Szene machen oder so. Aber es ging alles gut. Ich war nur traurig, dass meine Mutter sich nicht getraut hatte mitzukommen. Sehr traurig.«
»Und die Hochzeit?«, fragte ich.
»Da war Brendan dreiundzwanzig, das war ein Jahr darauf, nach Amandas Studienabschluss. Mein Vater starb einen Monat vor der Hochzeit.«
»Wie ist er gestorben?«, fragte Mike.
»Auf eine sehr qualvolle Art, Mr Chapman. Wie die meisten Tunnelarbeiter.« Trish sah ihn an. »An Silikose. Er hatte zu viele Jahre den schwarzen Staub eingeatmet. Die Silikose hat ihn langsam getötet, sie hat ihm die Lungen zerfressen.«
»Das tut mir leid.« Mike schwieg einen Augenblick. »Aber die Hochzeit fand trotzdem statt?«
»Für die Keatings ja. Und für Brendan. Aber meine Mutter weigerte sich hinzugehen, um meinem verstorbenen Vater Respekt zu erweisen. Die Jungs mussten auch zu Hause bleiben. Bex und ich fuhren heimlich in die Stadt und setzten uns auf eine Bank vor der Kirche, wo wir sie sehen konnten, als sie für die Fotos posierten, fein angezogen und so, bevor sie zum Empfang in einen dieser Clubs gingen, wo die Keatings Mitglieder waren. Brendan hatte meine Mutter noch einmal angerufen und sie gebeten, doch zu kommen, aber sie hatte ihm gesagt, er solle einfach sein neues Leben leben und so tun, als wären wir alle zusammen mit Daddy gestorben, wenn er sich unser so schämt.«
»Und das hat er dann auch getan?« Für jemanden wie Mike oder mich, dem unsere Familie über alles ging, war das ein unvorstellbarer
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