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Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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zu der Bewerbung, dann griff ich mit klammen Fingern danach. Ich wusste, dass er es nicht gutheißen würde, aber wenn ich ihn überzeugen konnte, könnte er vielleicht Mom überzeugen – und dann musste ich nicht warten. »Eigentlich würde ich gerne mehr tun als nur das.«
    Er schwieg, während ich die Papiere aus ihrem Versteck zog und über den Tisch schob. Meine Knie wurden weich und ich fühlte, wie mir leicht schwindlig wurde. Gott, wie sollte ich je ein Runner werden, wenn ich nicht mal den Mut hatte, mit meinem Bruder darüber zu reden?
    Das Rascheln des Papiers klang laut in meinen Ohren. Die Heizung schaltete sich ein, und die warme Luft bewegte meine Haare, während ich beobachtete, wie seine Augen über das Papier glitten. Dann sah er mich mit zusammengebissenen Zähnen an. »Nein!«
    Er wollte das Papier zu einem Ball zerknüllen, aber ich riss es ihm aus der Hand. »Ich werde das tun.«
    »Die I.S.?« Robbies Stimme war laut. »Bist du verrückt? Das hat Dad umgebracht!«
    »Hat es nicht. Ich war da. Er hat es mir gesagt.Wo warst du?«
    Betroffen sank er im Stuhl zurück. »Das ist nicht fair.«
    »Genauso wenig, wie es fair ist, dass du mir erklärst, ich dürfte etwas nicht tun, nur weil es dir Angst macht.«
    Er runzelte die Stirn, und ich schnappte mir meine Kaffeetasse, um mich an etwas festzuhalten. »Ist das der Grund, warum du so scharf auf diese Karatekurse bist?«, fragte er bitter.
    »Es ist nicht Karate«, antwortete ich. »Und ja, so habe ich einen Vorsprung vor allen anderen. Mit meinem verkürzten Collegeabschluss kann ich in vier Jahren schon ein vollwertiger Runner sein.Vier Jahre, Robbie!«
    »Ich kann es nicht glauben.« Robbie verschränkte die Arme. »Und Mom lässt dich das tatsächlich tun.«
    Ich schwieg genervt.
    Robbie gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Sie weiß
es nicht!«, beschuldigte er mich, und ich sah ihn an. Mein Blick war verschwommen, aber verdammt noch mal, ich würde mir nicht über die Augen wischen.
    »Rachel«, flehte er, als er meinen Frust sah. »Hast du den Vertrag überhaupt gelesen? Sie beanspruchen dich für immer. Kein Ausweg. Du bist noch nicht mal zwanzig und wirfst dein Leben weg!«
    »Tue ich nicht!«, schrie ich mit zitternder Stimme. »Wofür bin ich sonst gut? Ich werde in Erdmagie nie so gut sein wie Mom. Ich habe schon Burger gewendet und Schuhe verkauft, und ich habe es gehasst. Ich hasse es!«, schrie ich fast.
    Robbie starrte mich erstaunt an. »Dann helfe ich dir, einen richtigen Abschluss zu bekommen. Du brauchst nur die richtigen Kurse.«
    Ich biss die Zähne zusammen. »Ich habe die richtigen Kurse belegt, und ich habe einen richtigen Abschluss«, erklärte ich wütend. »Das ist, was ich machen will.«
    »Im Dunkeln rumrennen und Verbrecher verhaften? Rachel, sei ehrlich: Du wirst nie die nötige Ausdauer haben.« Plötzlich wurde seine Miene ausdruckslos. »Du tust das wegen Dad.«
    »Nein«, antwortete ich missmutig, aber ich senkte den Blick, und es war klar ersichtlich, dass das zu meiner Entscheidung beigetragen hatte.
    Robbie seufzte. Dann lehnte er sich vor, um über den Tisch hinweg meine Hand zu ergreifen. Ich riss sie zurück. »Rachel«, sagte er leise. »Tu es nicht! Wäre Dad hier, würde er dir dasselbe sagen.«
    »Wäre Dad hier, würde er mich persönlich zum I.S. – Büro fahren«, antwortete ich. »Dad hat an das geglaubt,
was er gemacht hat. Er hat sich nicht von der Gefahr abhalten lassen; er hat sich nur darauf vorbereitet.«
    »Warum hat er sich dann umbringen lassen?« In Robbies zusammengekniffenen Augen stand alter Schmerz. »Er würde dir raten, dein Erdmagie-Diplom zu vertiefen und etwas Sicheres zu finden.«
    »Sicher!«, blaffte ich und schob den Stuhl ein Stück zurück. Verdammt, jetzt würde ich Mom nie überzeugen. Ich brauchte ihre Unterschrift auf der Bewerbung, oder ich musste warten, bis ich neunzehn war. Und das bedeutete, dass ich dreiundzwanzig sein würde, bevor ich endlich Geld damit verdienen konnte. Ich liebte meine Mom, aber ich musste raus aus diesem Haus. »Wäre Dad hier, würde er mich lassen«, murmelte ich verstockt.
    »Glaubst du wirklich?«, schoss Robbie zurück.
    »Ich weiß es.«
    Schweigen breitete sich aus, nur unterbrochen von meinem wippenden Fuß und dem Ticken der Uhr. Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee und bemühte mich, aufgrund des bitteren Geschmacks nicht das Gesicht zu verziehen. Mir war egal, wie toll er roch, er schmeckte fürchterlich. Ich konnte

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