Blutgeld
zwinkerte ihr sachte zu, und als sie zurücklächelte, nahm er seinen Scotch Soda und kam zu ihr hinüber.
«Hallo», sagte die Bohnenstange. Er hörte sich wie ein Amerikaner an.
«Ou peut-être je dois dire: bon soir!»
Er schien auch fließend Französisch zu sprechen.
«Aw, kayf tagool hello bilarabee?»
Sein Arabisch war auch nicht schlecht. Linas blonde Haare waren offenbar keine sonderlich gute Tarnung.
«Sie scheinen ja eine Menge Sprachen zu sprechen», sagte sie.
«Ich heiße Frederick Behr in jeder Sprache. Und Sie?»
«Helen», sagte Lina.
«Sie sehen so aus, als brauchten Sie einen Freund.»
«Jeder braucht einen Freund in einer fremden Stadt. Leben Sie hier?» Wenn er die Frage verneinte, hatte Lina vor, sich die Rechnung bringen zu lassen und zu gehen. Ein weiterer Tourist nützte ihr nichts. Für den Fall, dass er die Frage bejahte, wusste sie nicht genau, was sie tun wollte.
«Ja, in der Tat, ich gehöre zur lokalen Flora. Oder Fauna. Ich verwechsel die beiden immer.» Er leerte seinen Scotch und winkte dem Kellner, um einen weiteren zu bestellen. «Wie steht’s mit Ihnen?», fragte er, auf Linas Glas deutend. Sie bestellte ein Glas Lillet mit Eis.
Lina brauchte nicht lange, um die wesentlichen Einzelheiten aus ihm herauszubekommen. Frederick Behr («Nennen Sie mich Fred!») war ein Amerikaner aus Boston, der das Genfer Büro eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens leitete. Er selbst war kein Bankier, aber zu seinen Kunden zählten einige der größeren Schweizer Banken. Seine Frau hatte ihn vor einem Jahr verlassen, und sein Freizeitvergnügen bestand darin, sich in Hotelbars herumzutreiben mit der Absicht, hübsche Frauen anzusprechen. Es war unvermeidlich, dass Fred Behr auch über sie etwas wissen wollte. Lina hatte noch nicht viel Zeit gehabt, sich eine neue Identität auszudenken, und so sagte sie das, was ihr spontan einfiel, und dachte sich eine Geschichte aus, während sie sie erzählte.
«Ich bin in Genf, um die Angelegenheiten meines Vaters zu regeln», sagte sie. «Er ist vor einigen Monaten gestorben.»
«Das tut mir leid», sagte Fred. «Hat er hier gelebt?»
«Nein. Er war Iraker. Aber ich glaube, er hat einen Teil von seinem Geld hier gehabt. Sogar eine ganze Menge, aber auf einem Geheimkonto. Und jetzt ist er tot, und meine Mutter und ich wollen das Geld finden. Und ich brauche Hilfe.» Sie sah ihn verschämt an. Das allermindeste wäre, so rechnete sie sich aus, dass sie eine kurze Einführung in die Welt der Schweizer Banken bekam.
«Hmmm», sagte Fred und betrachtete sein Highball-Glas. «Wissen Sie, wo er es hatte? Hoffentlich nicht bei einer dieser Privatbanken.»
«Nein, ich glaube nicht.»
«Das ist schon mal gut. Diese
banques privées
sind zu klein, wenn Sie mich fragen. In einer kleinen Bank kann man nichts verstecken. Das ist zu auffällig. Ein großer Transfer per Kabel, und alle sagen: ‹He! Was macht denn der alte Freddie da, schiebt hundert Millionen Dollar herum?› Das funktioniert nicht. Man kann sein Geld nur in einer großen Bank verstecken. Es verliert sich in der Menge, genauso wie Menschen. Bei welcher Bank war er denn?»
«Wir glauben, es war die Organisation de Banques Suisses.»
«Dann haben Sie Glück, meine Liebe. Das dürfte leicht sein.»
«Was sollte ich tun?»
«Gehen Sie einfach zu dem Geschäftsführer der OBS -Zweigstelle, mit der Ihr Vater zu tun hatte, und sagen Sie ihm, dass Sie wegen des Geldes gekommen seien. Wenn Sie die Kontonummer kennen und belegen können, dass Sie die nächste Angehörige sind, dann wird er es Ihnen aufmachen.
Zut!
»
«Aber das ist gerade unser Problem. Mama und ich wissen nicht, welche Zweigstelle Papa benutzt hat, und wir wissen nicht, welcher Betreuer das Konto geführt hat. Wir kennen nur die Kontonummern. Was sollten wir tun? Es macht meine Mutter ganz verrückt.»
«Rührendes Problem», sagte Fred. Er kippte seinen zweiten Scotch, während er über die Sache nachdachte, und bestellte sich noch einen. «Wie gut wissen Sie über Schweizer Banken Bescheid?»
«Gar nicht. Deswegen bin ich hier. Um mehr zu erfahren.»
«Nun, vielleicht kann Onkel Fred Ihnen ein paar nützliche Tipps geben. Hätten Sie das gerne?»
Lina nickte. «Ja bitte.»
«Das Erste, was Sie über Schweizer Bankgeschäfte wissen müssen, ist, dass sie groß und geheim sind. Wie ein unterirdischer Fluss, der mitten durch das Land fließt. Sie können ihn nicht sehen, aber er beherrscht alles und ist enorm. Es liegen über
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