Blutgeld
See stand, und ging direkt auf ihn zu. Als Martin Hilton sah, wo sie hinging, blieb er plötzlich stehen.
«Dieser Mann da verfolgt mich», rief sie auf Französisch dem Polizisten zu und zeigte auf den Mann im Mantel. «Er hat versucht, sich vor mir zu entblößen.»
Der Polizist trabte los, auf den Mann zu, und befahl ihm händefuchtelnd, stehen zu bleiben. Hilton sprintete davon, raste über die Straße und in das Gewühl des Geschäftsviertels. Der Polizist kehrte mit einer behäbigen und zufriedenen Miene zu der Stelle zurück, an der Lina gestanden hatte, um ihr ein paar beruhigende Worte zu sagen. Aber sie war verschwunden. Während der kurzen Verfolgungsjagd war sie in eine andere Richtung geflohen und wieder in den Schutz der Anonymität getaucht.
30
Sam Hoffman lag das Nichtstun nicht. Er saß in seinem Büro und führte nutzlose Telefonate, bis er es nicht länger aushielt, ging ins Fitnesscenter, um seine Wut abzureagieren, dann ins China-Restaurant und kehrte danach in sein Büro zurück, um weitere überflüssige Telefonate zu tätigen. Am Tag nach Linas Verschwinden wartete Hoffman darauf, dass sie sich bei ihm melden würde, wenn sie noch lebte. Am darauffolgenden Tag begann er sich zu fragen, ob sie vielleicht schon tot war. Noch einen Tag später ging er auf einer seiner rastlosen Runden zu Scotland Yard, um die Polizei zu drängen, Ermittlungen gegen Hammud einzuleiten. Aber die wollten ihm nur noch mehr Fragen zu Lina Alwans angeblichen kriminellen Aktivitäten stellen. Hoffman gab sich unkooperativ und forderte die Polizei geradezu auf, ihn doch als Mitverschwörer zu verhaften, sofern sie irgendwelche Beweise hätten. Worauf man ihn bat zu gehen.
Am gleichen Abend kehrte Ali Mattar aus Tunis zurück. Hoffman hatte ihn ein paar Tage später zurückerwartet und war überrascht, den Palästinenser vor seiner Tür zu finden.
«Ahlan, ahlan!»
, begrüßte Hoffman seinen Kollegen. Er freute sich schon, einfach nur ein freundliches Gesicht zu sehen. Seine Beschäftigung in den letzten paar Stunden hatte darin bestanden, Tesafilmstückchen zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her zu rollen.
«Ich brauche einen Drink», sagte Ali und ließ seine massige Gestalt auf die Couch sinken. Er war jemand, der selbst einen großen Raum klein wirken ließ: hochgewachsen und kräftig, mit langen lockigen Haaren und einem herabhängenden Schnurrbart. Hoffman fand, dass er wie ein Alt-Hippie aussah und nicht wie jemand, der mit geheimen Informationen handelt, aber das machte gerade Alis Charme aus. Hoffman goss ihm großzügig Whisky ein.
«Und was hast du rausgekriegt?», fragte er.
«Eine oberfaule Sache, Sam! Hab die ganze Story hier oben.» Er klopfte sich an den Schädel. «Ich musste sofort herkommen, um dir diese große Nachricht zu geben.»
«Dann schieß mal los. Ich bin ganz Ohr.»
Ali sah enttäuscht aus. «Wieso die Eile? Willst du nicht erst reden? Mach dir einen Drink. Frag mich nach meiner Familie, plauder über alte Zeiten. Du weißt schon, die arabische Art.»
«Nein. Zuerst das Geschäftliche. Dann können wir über alte Zeiten plaudern, solange du willst.»
«Du bist heute nicht sonderlich entspannt,
habibi
.»
«Mach mir keinen Druck, Ali. Ich dreh hier durch. Ich brauche Informationen.»
«Okay, okay. Ich hab zu viel rausgefunden. Das wirst du nicht glauben. Große Verschwörung. In Tunis dreht alles durch. Vielleicht willst du mir das Doppelte zahlen für gute Arbeit.»
«Lass den Scheiß über das Geld. Das meine ich ernst.»
«Okay. Hier kommen meine Knüller. Erinnerst du dich an die Palästinensische Befreiungsfront, diese Gruppe in der PLO , die ihr ganzes Geld aus Bagdad bekommt? Der Mann, der da das Sagen hat, ist ein alter Kumpel vom Herrscher in Bagdad. Die sind zusammen jagen gegangen und all so was. Erinnerst du dich an den?»
«Nein.»
«Okay. Auch egal. Also, sein Stellvertreter ist mein alter Freund Ayad, der mir einige Gefallen schuldig ist. Weißt du, dass ich ihm mal das Leben gerettet habe? Er hatte sich in Beirut versteckt, nachdem die Syrer versucht hatten, ihn umzubringen, und ich habe ihn jeden Tag besucht und Tricktrack mit ihm gespielt. Und diese Syrer haben nochmal versucht, ihn umzubringen, weil sie zu viel Angst vor ihm hatten. Aber ich habe es rausbekommen und Ayad gesagt, er solle zu den Camps in Tyrus fliehen, wo ich aufgewachsen bin, und da hat ihn meine Mutter versteckt, und keiner hat was erfahren. Und das hat er nie vergessen. Und später,
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