Blutgeld
Hoffman sagte ihr, was er brauchte, und sie erledigte den Rest. Er hatte Sally am Vorabend angerufen, um ihr zu sagen, dass er komme, und sie gebeten, ihn um halb elf vor dem Parkplatz zu erwarten.
Sally war zur vereinbarten Zeit da, zuverlässig wie immer. Sie trug einen engen Rock und sah aus, als würde sie gleich aus ihrer Bluse herausplatzen. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und drückte ihr einen Zettel mit dem Namen und der Adresse von Coyote Investment in die Hand. «Bleibst du?», fragte sie, womit sie meinte «über Nacht?». Es schmerzte Hoffman, sagen zu müssen, dass er noch am selben Nachmittag nach London zurückmüsse.
Sally traf ihn um halb zwei in einem französischen Restaurant wieder. Sie schleppte einen dicken Aktenordner mit sich, den sie hoheitsvoll auf den Tisch legte, wie eine Löwin, die ihrem Männchen eine Beute präsentierte. Hoffman küsste sie auf den Mund. Nachdem sie einen Aperitif bestellt hatten, überreichte er ihr eine in buntes Geschenkpapier eingewickelte Schachtel, die einen großen Zirkonring enthielt, den er kurz zuvor in einem Juwelierladen in der Stadt erworben hatte. Er sah beinahe wie ein Diamant aus. Sally ging zur Damentoilette, um ihn im Spiegel zu bewundern, und kehrte mit frischem Lippenstift und noch mehr Parfüm zurück. Zum Mittagessen bestellte sie das teuerste Gericht auf der Karte und redete angeregt über Popmusik und Filmstars. Hoffman sah sie verträumt an, nickte zu allem, was sie sagte, und rieb unterm Tisch seine Beine gegen ihren Schenkel. Er öffnete den Aktenordner erst, als er wieder in seinem Auto saß.
Als er die Seiten durchgeblättert hatte, fragte sich Hoffman, ob er Sally nicht einen teureren Ring hätte kaufen sollen. Sie hatte ihm die vollständige Finanzamtsakte über Coyote geliefert, die offenbar eine Stunde vor dem Mittagessen nach Cardiff gefaxt worden war. Aus den Dokumenten ging hervor, dass Coyote seit acht Jahren in England Steuern bezahlte, zunehmend größere Beträge, auf Einkünfte, die im Vereinigten Königreich erzielt worden waren. Das Material war seitenlang und machte auf den ersten Blick einen interessanten Eindruck. Aber was Hoffmans Aufmerksamkeit erregte, war ein seltsam aussehendes Dokument, das ganz zuunterst lag. Es war der aktuelle Jahresbericht von Coyote Investment, der beim Registre du Commerce in Genf eingegangen und von dort ans britische Finanzamt weitergeleitet worden war. Die wunderbare Sally hatte den Jackpot versteckt.
Der Jahresbericht von Coyote war auf Französisch verfasst. Die erste Seite war die Verteilerliste, auf der die fünf Direktoren des Unternehmens aufgeführt waren. Bis auf Hammud hatten alle Adressen in der Schweiz. Seite zwei war ein Brief des Vorsitzenden, der die Ergebnisse des abgelaufenen Geschäftsjahres und die Pläne für die Zukunft zusammenfasste. Es war alles Geschwätz: berechtigte Hoffnungen, breite Strategien, gesunde Planung, nichts Konkretes. Dann kamen die Zahlen: Coyote Investment stellte die Gewinn- und Verlustrechnung für das Vorjahr auf sowie die Konzernbilanz. Alles war in Schweizer Franken aufgeführt. Als Hoffman wieder in der North Audley Street war, sah er nochmal in der
Financial Times
nach, bevor er mit seinem Taschenrechner die Summen in Dollar umrechnete. Zuerst dachte er, ihm sei ein Fehler unterlaufen, und rechnete zur Sicherheit alles ein zweites Mal nach.
Die Zahlen waren erstaunlich. Das unbekannte Unternehmen mit dem albernen Namen hatte im Vorjahr einen Gewinn von beinahe 160 Millionen Dollar erzielt, aus einem Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar. Am erstaunlichsten war, dass ein Gesamtvermögen von 5,1Milliarden Dollar angegeben wurde, das hauptsächlich aus Investitionen in andere Firmen bestand. Das erschien ihm völlig unmöglich, aber wenn die Zahlen stimmten, dann war der Eigentümer von Coyote Investment einer der reichsten Männer der Welt.
Hoffman blätterte den Jahresbericht weiter durch. Im Anhang fand er eine Liste von Tochtergesellschaften, die sich über zwei Seiten erstreckte. Coyote schien Firmen in fast jedem Winkel der Welt zu besitzen. Banken, Immobilien, Produktionsanlagen. Ein Aluminium-Hüttenwerk in Belgien, die neue Reifenfabrik in Portugal, ein Flugzeug-Leasing-Unternehmen in Kanada. Ein Pharmaunternehmen in Thailand. Es gab anscheinend nichts, was Hammud nicht bereit war zu kaufen. Eine Anmerkung in diesem Anhang wies darauf hin, dass in manchen Fällen Coyotes Eigentumsrechte an den Tochtergesellschaften von anderen,
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