Blutgeld
bevor er gegangen ist. Ich nehme an, es handelt sich um den Betrag, der von Crédit Mercier überwiesen wurde und der auf ein Konto bei der Union de Banques Suisses transferiert werden soll?»
«Señor Hoffman hat Ihnen von dieser Überweisung erzählt?»
«Ja. Er hat mich beauftragt, die Überweisung zu bestätigen, falls Sie anrufen.»
«Aber wissen Sie, es ist eine sehr große Überweisung. Es sind einhundertachtundvierzig Millionen Dollar.»
«Ja, ich weiß. Mr. Hoffman hat Anweisung von Nassir Hammud, das Geld unbedingt heute noch zu bewegen. Es ist sehr wichtig.»
«Nun ja, ich weiß nicht. Normalerweise verlangen wir eine schriftliche Genehmigung für einen so großen Transfer, aber wenn Señor Hoffman Ihnen diese Anweisungen gegeben hat, dann ist es wohl in Ordnung. Wir werden sehen, was wir tun können.»
«Vielen Dank», sagte Lina. «Mr. Hoffman wird Ihnen für Ihr Entgegenkommen dankbar sein.»
Sie legte sich aufs Bett zurück und schloss die Augen. Es war alles so schnell gegangen, dass sie es nicht ganz glauben konnte: Sie hatte Nassir Hammud 148 Millionen Dollar aus der Tasche gezogen. Das Geld wäre bald aus seinem Käfig befreit. Sie stellte es sich vor: Millionen von Dollarscheinen, die schwerelos gen Himmel schwebten und wieder herabfielen in die Hände der bemitleidenswerten Insassen des Qasr al-Nihayya. Die grausame Schwerkraft, die das Geld des Herrschers in seiner Umlaufbahn gehalten hatte, war gebrochen, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie wünschte sich, Nabil Jawad wäre jetzt da, um mit ihr zu feiern.
41
Lina wartete noch zwei Stunden lang in ihrem Bau, leicht benommen durch das, was sie getan hatte. Keine der anderen sieben Banken rief an, und sie wurde des Wartens schließlich müde. Außerdem erkannte sie, dass sie Sam Hoffman ein letztes Mal sehen musste. Sie konnte nicht einfach in die Nacht verschwinden. Sie musste sich von ihm verabschieden, bevor das Feuerwerk begann und sie untertauchen musste. In seinem Hotelzimmer meldete sich niemand, aber sie wusste, dass er früher oder später zurückkommen würde, und so beschloss sie, hinzugehen und dort auf ihn zu warten. Sie suchte ein paar Toilettenartikel und frische Unterwäsche zusammen und packte sie in die Reisetasche. Auf dem Weg nach draußen ging sie noch kurz zu Madame Jaccard und sagte ihr, falls jemand anrief und einen Frank Hoffman verlange, solle sie sich den Namen geben lassen und sagen, Mr. Hoffman würde zurückrufen. Es sei ein Spiel, das sie mit einigen ihrer Freunde von der Uni spiele, sagte sie. Sie tue so, als sei sie Mr. Hoffman, und die anderen taten so, als wären sie Bankiers. Madame Jaccard nickte bloß. Solange sie im Voraus bezahlt wurde, war’s ihr recht.
Unten in der Straße fand Lina ein Taxi in einer Schlange. Sie ließ es ein kleines Stück hinterm Intercontinental halten, in der Nähe des Lieferanteneingangs auf der Rückseite. Dahinter steckte die Überlegung, dass die Iraker, falls das Hotel von ihnen überwacht wurde, wahrscheinlich vorne waren, nicht hinten bei den Dienstboten. Sie waren elitär, die irakischen
moukhabarat
. Sie ließ den Blick über die Laderampen schweifen. Das Gelände war menschenleer. Sie huschte über die Anlieferungsstraße zum Personaleingang und schlüpfte durch die Tür. Gleich dahinter saß ein Mann in einer Kabine. Lina wedelte mit ihrem Zimmerschlüssel, eine Entschuldigung murmelnd, dass sie nächstes Mal den Haupteingang benutzen werde, und der Mann winkte sie durch. Ein paar Dutzend Meter weiter hinten fand sie den Lastenaufzug und fuhr damit in den achten Stock.
Der Korridor war leer. Lina schlich zu Sams Suite. Sie geriet einen Moment in Panik, als die Aufzugglocke klingelte, aber es waren nur zwei sehr laute Amerikaner, die darüber redeten, wie teuer die Schweiz sei. Sie setzte ihren Weg fort den Korridor entlang, bis sie zu Sams Suite kam. Sie steckte ihren Schlüssel ins Schloss, drehte den Türknauf, trat in das dunkle Zimmer und setzte ihre Reisetasche gleich neben der Tür ab. Sie tastete nach dem Lichtschalter und knipste ihn an. Der Schrei blieb ihr im Hals stecken.
Die Suite war auseinandergenommen worden, und zwar buchstäblich. Die Couch und die Sessel waren aufgeschlitzt und die Füllung herausgerissen worden. Die Matratze im Schlafzimmer war ebenfalls aufgeschlitzt, und der Federkern war von einem Ende zum anderen aufgerissen worden. Die Kommodenschubladen waren alle herausgerissen und ihr dürftiger Inhalt über den Boden
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