Blutgeld
assoziierten Unternehmen vertreten wurden, die hier aber nicht namentlich genannt waren. Es war die Art eines Wirtschaftsprüfers zu sagen: Coyotes Eigentum wird durch Scheinfirmen getarnt. Kein Wunder, dass die Suche durch die US -Datenbanken so wenig ergeben hatte.
Ein Punkt gab Hoffman Rätsel auf. Aus der Rubrik Kapitalherkunft ging hervor, dass nur ein Drittel des Umsatzes durch Einkünfte aus Geschäftsvorgängen erzielt wurde. Der Rest kam aus «anderen Quellen», die nicht weiter genannt waren. Das war seltsam für ein so großes Unternehmen. Aber bei Coyote war fast alles seltsam.
Schließlich blätterte Hoffman weiter zum Bericht des Wirtschaftsprüfers am Schluss. Das Schreiben war von einer Schweizer Firma verfasst, die keine Verbindung zu irgendeinem der großen internationalen Wirtschaftsprüfungsunternehmen hatte. Das an sich war schon ein Alarmzeichen, der Brief selbst aber war wie eine blinkende Alarmanlage. Er las ihn mehrere Male, um sicherzugehen, dass er ihn richtig aus dem Französischen übersetzte, aber es gab keinen Irrtum:
Im Verlauf des Jahres kamen dem Vorstand des Unternehmens bei der Umstellung einiger administrativer Funktionen bedauerlicherweise einige Buchungsunterlagen abhanden. Somit waren wir nicht in der Lage, eine Reihe von Rechnungen und Zahlungen zu überprüfen. Es ist uns daher nicht möglich, ein abschließendes Urteil darüber zu fällen, ob der Jahresabschluss ein zutreffendes Bild der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Ende des aktuellen Zeitraums abgibt; ob das Verhältnis von Gewinn, Kapitalherkunft und Mittelverwendung für das abgeschlossene Jahr ein ausgewogenes Bild ergibt. In jeder anderen Hinsicht entsprechen die Unterlagen des Unternehmens dem internationalen Standard der Wirtschaftsprüfung.
Der Brief ergab keinen Sinn. Wie konnte ein so großes Unternehmen mit globalen Ressourcen und Vermögenswerten in Milliarden-Dollar-Höhe einfach seine Buchungsunterlagen verlieren? Wieso hatte das Wirtschaftsprüfungsunternehmen angesichts seiner Vorbehalte die Prüfung nicht insgesamt abgelehnt? Und wenn, wie der Brief andeutete, Coyote Investment seine Bücher frisierte, wieso hatten dann die Schweizer Behörden – oder auch das britische Finanzamt – nichts dagegen unternommen? Da gab es noch etwas bei Coyote Investment, was Hoffman stutzig machte, je mehr er drüber nachdachte. Es war klar, dass das Unternehmen von seinem Vorsitzenden, Nassir Hammud, kontrolliert wurde. Aber im Jahresbericht stand nichts darüber – kein Wort –, wer der Eigentümer war.
Eine letzte Sache fiel Hoffman auf, während er das Material durchsah, das Sally ihm geliefert hatte. Es war ein knapper Prüfungsvermerk, in dem die Angaben über Coyotes Pachtvertrag an dem Gebäude in Knightsbridge zusammengefasst waren. Der Bericht war von Hammuds Londoner Wirtschaftsprüfer unterschrieben, einem gewissen Marwan Darwish, der sein Büro in South Kensington hatte. Als Hoffman den Namen sah, entwich ihm ein Freudenseufzer. Er kannte Marwan Darwish! Sie hatten sich kennengelernt, als sie konkurrierende Firmen vertreten hatten, die bei der Ausschreibung des Auftrages zur Einrichtung eines neuen Telefonsystems in Dubai einen langen Offertenkrieg miteinander geführt hatten. Sie waren fast Freunde geworden.
Noch am selben Abend rief Hoffman Marwan Darwish zu Hause an, erkundigte sich nach seiner Frau und seiner Familie, sagte, sie hätten sich schon viel zu lange nicht mehr gesehen, und er hoffe, dass sich bald eine Gelegenheit bieten würde. Darwish reagierte prompt, wie Hoffman es erwartet hatte. Er lud ihn zu sich nach Hause ein. Zufälligerweise gab er am nächsten Wochenende eine Party für einige seiner irakischen Freunde und Kunden, um den Kauf seines neuen Hauses zu feiern. Sam sei auch willkommen, höchst willkommen. Hoffman erwähnte, dass er vor nicht langer Zeit eine Frau auf einer Party kennengelernt habe, die er sehr gern wiedersehen würde. Sie heiße Lina Alwan.
«Ya habibi!»
, sagte der irakische Wirtschaftsprüfer. «Sie wird da sein.»
Je näher Darwishs Party rückte, desto mehr wartete Hoffman auf einen Anruf des Filipinos. Aber es kam kein Anruf oder sonst irgendein Lebenszeichen von ihm. Am Abend der Party beschlich Hoffman allmählich das Gefühl, dass er von Mr. Pinta möglicherweise nie wieder etwas zu hören bekommen würde.
6
Die Darwishs gaben ihre Party Anfang April in ihrem neuen Haus in Hampstead. Es war ein großer Backsteinbau, der von einem
Weitere Kostenlose Bücher