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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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nahelegte. Auch israelische Sprecher gaben keine Kommentare ab, wenn es um eine mögliche Beteiligung an der Tat ging. Das war typisch für den Nahen Osten. Es war von Vorteil, des Mordes an einem Staatsoberhaupt für fähig gehalten zu werden, selbst wenn man nichts damit zu tun hatte. Besser gefürchtet als ignoriert zu werden.
    Die Anwaltsfirma Hatton, Marola & Dubin war vielleicht der letzte Ort in Washington, von dem man hätte erwarten können, dass in dieser Nacht noch spät die Lichter brannten. Aber als Robert Hatton gegen fünf Uhr an jenem Nachmittag diese Neuigkeit erfuhr, zog er sich aus einer Besprechung mit seinen Partnern zurück, bei der es um die Einstellung neuer Firmenpartner ging, in sein Büro im obersten Stock; dort blieb er bis kurz vor Mitternacht. Hatton richtete sich in seiner Panzerkammer ein, die seine vertraulichsten Akten beherbergte. Er trug einen Stuhl und einen kleinen Tisch hinein und schloss die Stahltür ab, damit er ungestört arbeiten konnte. Er verbrachte Stunden damit, die juristisch relevanten Unterlagen von fünf Firmen durchzusehen, die er einige Jahre zuvor mitbegründet hatte. Es waren Strohfirmen oder Scheinunternehmen, und zwar insoweit, als ihre nominellen Eigentümer keinerlei Hinweis darauf gaben, wer sie tatsächlich kontrollierte. Zwei Firmen waren auf den Bahamas registriert und die anderen drei in Panama. Hatton überprüfte die Gesellschafterverträge von jeder sowie die juristischen Stellungnahmen, die er vor Jahren von örtlichen Anwälten in Nassau und Panama City erhalten hatte; dort ging es um die notwendigen Prozeduren zur Verteilung der Vermögenswerte im Falle irgendwelcher Statusänderungen. Dann wandte er sich anderen Dokumenten zu, die alle möglichen anderen Partnerschaften erfassten, Scheinkonten und Investmentfirmen, die Teil des unsichtbaren Geldnetzes waren, das er mithalf zu verwalten.
    Es war ein Grundsatz im juristischen Geschäft, dass jeder – ganz gleich wie unbedeutend er war – es verdiente, durch einen Anwalt vertreten zu werden. Im Verlauf der Jahre hatte Hatton mehr als viele andere Anwälte Anlass dazu gehabt, diesen Grundsatz in Frage zu stellen, wenn er ihn auch als eine wesentliche Tatsache des Lebens akzeptierte. Man konnte bei jeder beliebigen Anwaltspraxis am Lack kratzen und feststellen, dass es darum ging, Leuten, die Geld hatten, aus der Klemme zu helfen. Wenn die Leute alles offen und ehrlich täten, dann brauchten sie ja keine Anwälte! Ein Anwalt regelte die Dinge. Das war das Entscheidende: Er musste die Dinge wirklich regeln. Wenn eine Firma auf der Grand Cayman Island registriert war, war es von großer Wichtigkeit, genau zu wissen, welche juristischen Auflagen man von örtlichen Behörden zu erwarten hatte. Wenn Gelder von einem Konto auf ein anderes transferiert werden sollten, war es erforderlich, dass jeder Schritt der Transaktion ganz genau so vollzogen wurde, wie die Bestimmungen es erforderten. Die Seele juristischer Arbeit lag im Detail – wie bei der Automechanik. Wenn die Arbeit erledigt war, musste die Maschine reibungslos, lautlos und sauber laufen.
    Gegen neun Uhr unterbrach Hatton seine Arbeit, um im Athenian Club, ein paar Straßen weiter, zu Abend zu essen. Er war ein großgewachsener Mann, und er ging die Straße mit einer Miene aristokratischer Verachtung entlang, ohne die im Park kampierenden Obdachlosen zu beachten, die ihn um Kleingeld angingen. Als er das Refugium seines Clubs erreicht hatte, wurde er vom Maître d’hôtel begrüßt – einem vornehmen alten Palästinenser, der sogar zum Frühstück einen Smoking trug. Dieser führte ihn zu seinem bevorzugten Platz hinten am Fenster. Hier saß er fast immer. Hatton war jemand, der die Routine brauchte. Er bestellte seinen üblichen Wodka-Martini und stellte dem Maître d’hôtel die übliche Frage, welches Gericht er ihm empfehlen könne.
    «Der gegrillte Fisch ist heute Abend sehr gut, Sir.» Es war immer die gleiche Antwort, denn der Maître wusste, dass Mr. Hatton immer gern gegrillten Fisch aß.
    «Und wie ist die Melone heute?» Das war die eine Sache in Hattons Leben, die nicht berechenbar war. Melonen waren so heikel.
    «Die Honigmelone ist nicht allzu süß, aber die Crenshaw ist sehr gut.»
    Woher wussten die im Athenian Club immer, ob die Melonen gut waren? Dazu mussten sie doch aus jeder eine Scheibe herausschneiden, um es zu überprüfen. «Dann nehme ich die Crenshaw», sagte Hatton.
    Von seinem Platz aus konnte Hatton gerade

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