Blutgesicht
Sie mußte den Druck einfach loswerden. Ihr Kopf fühlte sich an, als wollte er in der nächsten Sekunde platzen.
Lassalle nickte zufrieden. Wie ein Westernheld seinen Revolver, so hielt er die Beretta fest. Aber seine I laltung entspannte sich, da alles nach seinen Vorstellungen lief.
Das Blutgesicht hatte Jane in die Höhe gezerrt und hielt sie so stark fest, als wollte sie es nie mehr loslassen. Lassalle war sehr zufrieden.
Für ihn gab es sowieso nur den Erfolg. Nichts anderes zählte. Er wollte unter allen Umständen das Blutgesicht erhalten. Da war er bereit, jedes Risiko einzugehen.
Er nickte zufrieden, was Jane natürlich mitbekam. Sie wollte etwas fragen, doch Lassalle kam ihr zuvor. »So habe ich es haben wollen, Jane Collins. So und nicht anders. Du bist der Garant dafür, daß mein treuer Freund überleben wird. Ich darf mich jetzt von dir verabschieden. Es hat mir Spaß gemacht.«
Die Detektivin riß sich zusammen. »He, Moment, was… was… soll das alles?«
»Zwischen uns beiden gibt es nichts mehr zu bereden. Nur keine Sorge, ich werde trotzdem in deiner Nähe sein. Du wirst immer an mich erinnert werden. Du brauchst dir nur das Blutgesicht anzuschauen. Darin siehst du auch mich.« Er nickte. »Und jetzt wünsche ich dir eine gute Reise, Jane Collins.«
Sie hatte Fragen. Jede Menge sogar. Nur ließ es das Blutgesicht nicht zu, daß sie nur ein Wort aussprach. Der Druck um ihren Hals und der auf ihren Brüsten verstärkte sich. Es wurde nichts zusammengepreßt, wie sie es zunächst gedacht hatte. Der andere zerrte sie nur nach hinten, und das mit einer harten, ruckartigen Bewegung. Die Luft wurde ihr abgeschnürt, das dunkle Zimmer tanzte vor ihren Augen, und einen Moment später befand sie sich zusammen mit dem Blutgesicht auf dem Weg nach hinten.
Nach hinten!
Aber da ist doch nichts! So schoß es Jane durch den Kopf. Verdammt, da gibt es nur die Wand und den leeren Kähmen.
Leeren Kähmen?
Auf einmal ging ihr ein Licht auf. Es war so einfach, wenn auch so schrecklich. Das Blutgesicht hatte das Gemälde verlassen. Es hing nur noch der dunkle Holzrahmen an der Wand. Möglicherweise auch die Leinwand, aber sonst…
Es ging auch umgekehrt.
Das Blutgesicht stieg wieder zurück in das Bild. Jane spürte, wie sie leicht vom Boden abhob, sich aber noch immer im Griff dieses Monstrums befand.
So machte sie automatisch die Bewegung mit und schwebte ebenfalls in die Höhe.
Das leere Bild wartete auf beide.
Und es nahm sie auf.
Der Schrei blieb Jane im 1 lals stecken, als sie eine magische Grenze überschritt. Sie spürte plötzlich eine Beirührung an ihrem gesamten Körper. Etwas Unsichtbares schlug über ihr zusammen, und einen Moment später – falls es so etwas überhaupt gab –, kroch eine seelenlose Kälte auf sie zu.
Eine Kälte, wie sie auch in der Ewigen Verdammnis hätte sein können…
***
Nathan Lassalle lächelte. Er war sehr zufrieden, und sein Lächeln durfte als echt und nicht aufgesetzt angesehen werden. Er hatte hin- und nicht weggeschaut. So war ihm die wundersame Reise des Blutgesichts und der blonden Jane nicht entgangen. Beide waren in das Bild hineingelangt, aber nicht dort geblieben. Es hatte sich geöffnet wie ein Tunnel, ein finsteres Loch, obwohl die Wand noch so geblieben war und keine Veränderung zeigte.
Aber beide verschwanden!
Der Maler holte durch die Nase Luft. Ein Beobachter hätte das Vibrieren seiner Nasenlöcher sehen können. Er schloß die Augen, und sein Gesicht zeigte dabei einen entspannten Ausdruck. Es hatte funktioniert, das Tor war nicht verschlossen worden. Weit, sehr weit hatte es sich geöffnet, um neue Beute für die alte Welt dahinter in sich hineinzuschlingen.
Lassalle ließ noch eine Weile verstreichen, bevor er sich der Leinwand näherte. Die Waffe hatte er in seinen Hosenbund gesteckt und den Saum der Weste darüber geschoben. Er brauchte beide Hände, um mit den Fingern über die Leinwand zu streicheln.
Sie fühlte sich gut an. So weich und trotzdem nicht nachgiebig. Kein normales Leinen, das hier war etwas anderes. Es fühlte sich nicht nur an wie Haut, es war auch Haut. Darüber hatte er mit keinem geredet. Das war einzig und allein seine Angelegenheit. Denn nur darauf konnten diese optimalen Werke wie das Blutgesicht entstehen.
Es würde etwas dauern, bis sich die Leinwand wieder füllte. Das machte ihm nichts aus. Er hatte Zeit, und seine Ausstellung war für das Publikum an diesem Tag geschlossen.
Er war allein und würde
Weitere Kostenlose Bücher